Der derzeit in Wien tagenden European Gas Conference muss mit politischen Forderungen die Legitimität entzogen werden, sagt der Politikwissenschafter Alexander Behr in seinem Gastkommentar.

Montagvormittag in der Wiener Innenstadt: Protest gegen die European Gas Conference.
Foto: APA / Tobias Steinmaurer

Es könnte grotesker nicht sein: Fossile Konzerne haben im letzten Jahr Rekordgewinne mit explodierenden Preisen gemacht, die dazu führten, dass viele Menschen auch hierzulande in die Energiearmut abrutschten. Noch bis Mittwoch treffen sich auf der European Gas Conference in Wien Vertreter von BP, Shell, Uniper, Total, RWE oder Equinor, um mitten in der eskalierenden Klimakrise neue Gasprojekte voranzubringen.

Eine zentrale Rolle bei der Konferenz spielt die OMV, die ihren Gewinn im Jahr 2022 trotz Energiekrise verdoppeln konnte. Die OMV, die zu den weltweit 100 klimaschädlichsten Konzernen gehört, gibt jährlich rund 241 Millionen US-Dollar für die Suche nach neuem Öl und Gas aus – das 1,5-Grad-Limit lässt grüßen. Seit 15 Jahren ist die OMV Sponsor der Konferenz, bis zuletzt gemeinsam mit Gazprom. Gazprom fehlt heuer, die grundlegende Logik bleibt allerdings die gleiche. Die Gaslobby nutzt die russische Invasion in der Ukraine, um die Bedeutung fossiler Gasprojekte aufzuwerten und neue Großinvestitionen zu fördern. Anstatt entschlossen die Energiewende voranzubringen, soll das Energiesystem für Jahrzehnte weiter an fossile Energie gekoppelt werden, beispielsweise an das besonders klimaschädliche LNG-Gas.

Mehr Transparenz

Obwohl diese Konferenz bereits zum 16. Mal in Wien stattfindet, nahm die Öffentlichkeit bisher kaum Notiz davon. Es ist der starken und entschlossenen Klimabewegung zu verdanken, dass nun endlich eine gesellschaftliche Diskussion über die Legitimität solcher Zusammenkünfte beginnt.

Was ist nun zu tun? Statt intransparenter Lobbytreffen muss die Energieversorgung in demokratische Entscheidungsstrukturen eingebettet werden, die auch die Dringlichkeit der Klimakrise ernst nehmen. Es darf keine neuen Gasprojekte innerhalb und außerhalb Europas geben, die bestehenden müssen stillgelegt werden. Sogenannter grüner Wasserstoff ist als Alternative ebenfalls nicht geeignet. Wichtig wären stattdessen eine Energiewende und die Deckelung der Unternehmensgewinne. Die Gewinne müssen an diejenigen Menschen umverteilt werden, die von den explodierenden Preisen am meisten betroffen sind. Wichtig außerdem: Schuldenerlässe und Reparationszahlungen für Länder des Globalen Südens, die den Folgen der Klimakrise Rechnung tragen.

"Während die Politik Appelle zum Kochen mit Deckel und kürzerem Duschen an die Bevölkerung richtet, wird die enorme Energieverschwendung der Reichen kaum thematisiert."

Hierzulande brauchen wir eine Diskussion über die Verwendung von Energie: Während die Politik Appelle zum Kochen mit Deckel und kürzerem Duschen an die Bevölkerung richtet, wird die enorme Energieverschwendung der Reichen kaum thematisiert. Studien legen aber nahe, dass politische Eingriffe in diesem Bereich durchaus einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz leisten könnten. Denn allein im Sektor Mobilität und Freizeit stoßen die reichsten zehn Prozent der Österreicherinnen und Österreicher genauso viel CO2 aus wie die ärmsten zehn Prozent in allen ihren Lebensbereichen zusammen. Gleichzeitig kann sich fast jeder zehnte Haushalt in Österreich die Heizkosten nicht mehr leisten. Hier sollte dringend gegengesteuert werden, zum Beispiel mit einem Energiegrundanspruch für Strom, Gas und Fernwärme. Während Energie bis zur Hälfte des Normverbrauchs vergünstigt bereitgestellt werden sollte, sollten ab 80, 100 oder 120 Prozent Abgaben aufgeschlagen werden, sodass bei verschwenderischem Luxusenergieverbrauch die Kosten deutlich steigen.

Klimasoziale Politik

Ein weiterer wichtiger Schritt wäre die gezielte Besteuerung von Vermögen und Erbschaften. Sie entspräche einer konsequent klimasozialen Politik, im Gegensatz zu einer einfachen CO2-Steuer, die nicht unterscheidet, ob jemand einen Privatjet nutzt oder seine Wohnung heizen muss. Solche politischen Ansätze würden die Akzeptanz für Klimaschutzmaßnahmen in der breiten Bevölkerung zudem stark erhöhen. Mehr als 80 Wissenschafterinnen und Wissenschafter haben in ihrem Bericht "Strukturen für ein klimafreundliches Leben", der im Rahmen des Austrian Panel on Climate Change entstanden ist, konkrete Vorschläge vorgelegt.

Der Gaslobby muss mit diesen politischen Forderungen die Legitimität entzogen werden. Deshalb ist es zu begrüßen, dass die Klimabewegungen für Dienstag um 17.30 Uhr am Stephansplatz zu einer Demonstration aufrufen. Viele Jahre lang konnte die European Gas Conference ihre schmutzigen Geschäfte störungsfrei abwickeln. Das sollte nun vorbei sein. (Alexander Behr, 28.3.2023)