Für Radreisende aus Österreich ist Deutschland derzeit wohl eine der besten Optionen unter allen Nachbarländern. Zumindest gilt das, wenn man ein eigenes Fahrrad besitzt und dieses nicht mit dem Auto, sondern im Zug an den Startpunkt einer Tour in Europa mitnehmen möchte – etwa aus Klimaschutzgedanken. Wer dagegen mit dem Gedanken spielt, per Nachtzug für eine Toskana-Tour mit dem eigenen Rad nach Italien zu aufzubrechen, wird enttäuscht sein. Nur sehr wenige österreichische Nightjets transportieren überhaupt Fahrräder, auf den Italien-Strecken ist das überhaupt nicht (oder nur tagsüber) möglich. Auch bei einer Nightjet-Tour in das mittlerweile sehr Velo-freundliche Paris heißt es: Fahrradmitnahme? Fehlanzeige! Lediglich Nachtzug-Garnituren mit den außerösterreichischen Zielen Zürich, Amsterdam, Hamburg und Berlin nehmen Räder mit. Selbst bei diesen Verbindungen gibt es aber eine Einschränkung: Pro Zug sind es mit Ausnahme der Verbindung nach Amsterdam nur drei (!) Fahrräder.

Fahrrad fährt voraus

Etwas besser schaut es in den Zügen aus, die tagsüber in die Nachbarländer aufbrechen. In den Fernverkehrsgarnituren nach Venedig gibt es zum Beispiel Fahrradabteile, was etwa eine Tour auf dem Alpe-Adria-Radweg ermöglicht. Wer hingegen daran denkt, sein Fahrrad einfach in ein beliebiges europäisches Nachbarland per Zug vorauszuschicken, wird es schwer haben. Möglich ist das nur innerösterreichisch, auf den Strecken nach Südtirol – und eben zu deutschen Adressen. Um 90 Euro pro Strecke kann man sein Rad etwa an der Wohnadresse in Österreich abholen lassen und mit der Bahn an eine Adresse seiner Wahl in Deutschland schicken. Zusammen mit der Nachtzug-Option kein schlechtes Argument für Radreisende beim großen Nachbarn, aber natürlich nicht das einzige. Die Auswahl potenzieller Routen ist doch recht beeindruckend.

Frank Schöbel mit Fahrrad vor einem Strandkorb
Der Schlagersänger Frank Schöbel beim Fahrradurlaub an der deutschen Ostsee.
IMAGO/United Archives / Stingl

Der längste Radfernweg Deutschlands liegt zum Beispiel direkt am Rhein und ist eine tolle Alternative zum Donau-Radweg. Mit der Hauptstrecke und den Verbindungsrouten ergibt sich eine Gesamtlänge der Niederrheinroute von knapp über 2.000 Kilometer. Der Radweg führt dabei ausschließlich durch das Bundesland Nordrhein-Westfalen, von Nord bis Süd und immer wieder am Wasser entlang. Mit nur 1.560 Höhenmetern lässt sich die Strecke relativ leicht befahren und ist auch abschnittsweise für Familien mit Kindern und Senioren geeignet. Highlight der Route sind dabei insbesondere die herrlichen Panoramablicke am Flussufer des Rheins sowie die Gegend um die Rheinauen.

Geschichtsinteressierte können sich auf dem zweitlängsten deutschen Fernradweg laben. Der Eiserne-Vorhang-Radweg mit 1.528 Kilometer Länge führt an der ehemaligen Grenze zwischen West- und Ostdeutschland entlang. Durchquert werden auf der Strecke sieben Bundesländer. Mit insgesamt 9.890 Höhenmetern zählt dieser Radweg zu den schweren Touren, die eine gute Grundkondition voraussetzen. Natürlich können einzelne Etappen auch von Anfängern bestritten werden. Die Route startet in Lübeck und führt bis an das sächsisch-bayerisch-tschechische Dreiländereck bei Hof. Von Nord nach Süd erleben Radsportler Geschichte: Stätten, Gedenksteine, alte Grenzeinrichtungen oder Museen. Aber auch landschaftlich ist die Route abwechslungsreich.

Praktisch für alle, die etwa mit dem Nightjet nach Berlin kommen: Nur wenige Bahnstationen von der Hauptstadt entfernt entfaltet sich ein Netz aus dichten Wäldern, weitreichenden Seenlandschaften und Naturschutzgebieten. Die sogenannte Tour Brandenburg führt einmal im Kreis um Berlin herum. Mit einer Distanz von 1.111 Kilometern führt die mittelschwere Tour in die ruhige Idylle Brandenburgs.

Landschaftlich äußerst lohnend ist auch der Ostseeküsten-Radweg. Unterwegs warten Fischbrötchen, Möwenrufe, Ausblicke aufs Wasser und kilometerlange Sanddünen auf die Radler. 1.082 Kilometer führen vorbei an den eindrucksvollsten Küstenabschnitten des Landes, an Sandstränden und Klippen sowie vielen Waldgebieten. Neben all der Natur liegen auch mehrere Hansestädte und historische Fischerdörfer entlang der Route. Anstrengend wird es manchmal durch die starken Winde. Mit dem Start auf der Insel Usedom geht es über Greifswald, Stralsund, Rügen sowie Travemünde bis in Richtung der deutsch-dänischen Grenze bei Flensburg. Durchquert werden dabei die beiden Bundesländer Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern.

Während der Weg entlang der Ostsee mit 7.680 Höhenmetern als mittelschwer eingestuft wird, geht es bei der Nordsee-Runde stehen fast ebenerdig dahin. An der Nordsee geht's über grüne Deiche, wo Radler den Schafen beim Grasen zusehen und dabei die salzige Brise der Meeresluft einatmen. Aus der Ferne tauchen Leuchttürme auf, bunte Strandkörbe verteilen sich am Sand, und Windmühlen drehen sich auf den Weiden. Auf einer Länge von rund 907 Kilometern führt dieser Radfernweg von der niederländischen Grenze bis hin zur dänischen Grenze, vorbei an Städten wie Hamburg oder Bremerhaven und durch insgesamt vier Bundesländer. Wer machbare 100 Kilometer am Tag zurücklegt, der kann die Strecke in rund neun Tagen schaffen. Der Schwierigkeitsgrad wird mit nur 1.360 Höhenmetern als leicht eingestuft. Ein weiterer Vorteil: Auch im Nachtzug nach Hamburg werden Fahrräder mitgenommen.

Wer dagegen tagsüber und nicht zu weit anreisen will, sollte sich den Bodensee-Königssee-Radweg genauer anschauen. Der Startpunkt dieser Panoramaroute liegt in Lindau am Bodensee, Endstation ist der Königssee. Mit einer Distanz von rund 460 Kilometern geht es bei dieser malerischen Tour durch Moorgebiete, über Waldpfade, entlang plätschernder Flüsse und grüner Weiden mit Pferden und Kühen. Radelnd kommen Reisende so auch nach Bad Reichenhall und Berchtesgaden. Etappenweise hat man mit hügeligen Anstiegen zu kämpfen. Erholung bieten die vielen Gaststuben mit deftiger Hausmannskost entlang der Strecke. (Sascha Aumüller, 3.9.2023)