Teatro Barocco
Der Spätsommer in Österreich startet durch. Passend dazu erleben bei "Antonio e Cleopatra" in Stift Göttweig die Eiscremefarben einen fröhlich-dramatischen Auftritt in barocker Pracht.
Teatro Barocco

Anno 1746 war das hier alles ein wenig anders. Da speiste im Altmanni-Saal des Stifts Göttweig Kaiserin Maria Theresia samt Gemahl und blickte von der prunkvollen Glaubensburg auf ihr Reich. 277 Jahre später sitzt reichlich republikanisches Publikum im Saal, in Erwartung der Aufführung von Johann Adolf Hasses Serenata Antonio e Cleopatra.

Das Teatro Barocco, die hierzulande führende Kompagnie im Bereich der Rekonstruktion barocken Musiktheaters, hat geladen. Als zentrales Bühnenbild fungiert ein Ölgemälde, welches das Benediktinerstift so zeigt, wie es sich nach den Plänen Johann Lucas von Hildebrandts dermaleinst hätte manifestieren sollen, wenn nicht irgendwann das Geld ausgegangen wäre. In der Inszenierung von Bernd R. Bienert (auch Bühnenbild und Kostüme) wird dieses Ideal-Göttweig gerahmt von prospektiv sich verjüngenden Säulenlandschaften.

Simuliertes Kerzenlicht

Simuliertes Kerzenlicht beleuchtet die Szene. Zur einleitenden Sinfonia – "spiritoso e staccato" – vollführt eine Tänzerin (Maria Mühlbauer) graziöse Bewegungen. Auftritt Antonio und Cleopatra: Kunstvoll geraffte Stofflandschaften mit Schleifen, Rüschen, Bordüren und Quasten da wie dort, rosa- und türkisfarbene Federbüsche schmücken die Häupter. Cleopatras textile Kreation erinnert weniger an das alte Ägypten denn an Marie Antoinette, die Lust auf Eiscremefarben hatte: Ihre Robe leuchtete wie eine Bonbonniere vom Demel.

Wie in fast jeder Oper wird auch hier ausgiebig gelitten. Warum genau? Antonio und Cleopatra befinden sich in einer misslichen Lage. Ihre Flotte wurde von Octavian geschlagen, vor der drohenden Versklavung rettet nur der Freitod. Alina Dragnea und Katharina Adamczyk begegnen ihrem Schicksal als geschlagener römischer Feldherr und als letzte ägyptische Königin mit prägnanten Gesten und standesgemäßer Contenance. Erfrischt Adamczyks heller Sopran mit Prägnanz und Agilität, so gefällt Dragneas Mezzo bisweilen mit sinnlicher Fülle. Beide steigern ihre Performance in der zweiten Hälfte der Serenata, deren Libretto eine ähnliche Symmetrie aufweist wie die Idealansicht Göttweigs: Auf vier Arien folgt in jedem der zwei Werkteile ein Duett.

Uraufführung in Neapel

Der junge, aus deutschen Landen angereiste Hasse (1699–1783) hat dieses "Dramma per musica da cantarsi" einst für einen neapolitanischen Bankier verfasst, der berühmte Kastrat Farinelli sang die Partie der Cleopatra als 20-Jähriger bei der Uraufführung im September 1725. Neapel war damals übrigens gerade österreichisch, Maria Theresias Papa Karl VI. herrschte über das Königtum. Wie im Deckenfresko Paul Trogers über der Göttweiger Kaiserstiege wird Karl VI. deshalb auch in Hasses Werk gehuldigt.

Jubel am Ende für die Sängerinnen, Jubel auch für das siebenköpfige Ensemble, das die erfrischend abwechslungsreiche Musik Hasses unter der Leitung von Davide Mariano lebendig und mit warmen Farben zu klingendem Leben erweckte. Maria Theresia hätte dieses Divertissement wahrscheinlich auch amüsiert. (Stefan Ender, 5.9.2023)