Viele Eltern müssen am Dienstag eine Alternative zum Kindergarten finden. Denn die dortigen Lehrkräfte streiken.
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Für viele Wiener Kindergartenkinder wird es ein Tag bei der Oma. Zumindest ist das oft die Antwort von Eltern, die man fragt, wo ihre Kinder am Dienstag betreut werden. Da haben nämlich die meisten Kinderbetreuungseinrichtungen geschlossen – die Elementarpädagoginnen und Freizeitpädagogen streiken.

An diesem Tag werden die privaten Kindergärten und Horte sowie die schulische Freizeitbetreuung der allermeisten Träger von sieben bis 15.30 Uhr wegen Betriebsversammlungen geschlossen. Und auch die städtischen Kindergärten haben sich den Protesten angeschlossen. Sie bieten lediglich einen Notbetrieb an. Denn: Sie sind verpflichtet, die Versorgung aufrechtzuerhalten. Wie der Notbetrieb konkret aussieht, kann sich jedoch von Standort zu Standort unterscheiden.

Kein Kind ohne Betreuung

Karin Broukal, Leiterin der für Kindergärten zuständigen MA 10, spricht lieber von einem "reduzierten Betrieb" als von einem Notbetrieb. Bis Ende vergangener Woche war ihre Abteilung damit beschäftigt, zu erheben, wie viele Pädagoginnen und Pädagogen aus städtischen Einrichtungen an den Versammlungen teilnehmen werden und wie viele Kinder in dieser Zeit Betreuung benötigen. Seit Montagfrüh steht fest: Zwei Drittel der rund 350 städtischen Kindergärten werden am Dienstag geschlossen haben, ein Drittel geöffnet, wie die MA 10 dem STANDARD mitteilt.

Eltern waren angehalten, den Betreuungsbedarf in "ihren" Kindergärten einzumelden. Sei dort die Betreuung nicht möglich, versuche man, einen Platz in der Nähe der angestammten Einrichtung zu organisieren: "Damit Eltern nicht quer durch die Stadt fahren müssen", sagt Broukal. Sie versichert: "Kein Kind wird abgewiesen."

Kniffliger ist die Situation für Eltern, die Kinder in Privatkindergärten haben. Denn diese haben großteils ganz geschlossen. Die Eltern seien rechtzeitig informiert worden, sagt Alexandra Fischer. Sie ist Geschäftsführerin der Wiener Kinderfreunde – eines der größten privaten Kindergartenträger in der Hauptstadt. Sofern Eltern nach Ende der Proteste um 15.30 Uhr Betreuungsbedarf angemeldet haben, würden die betroffenen Standorte am späten Nachmittag aufsperren. Eine Ausnahme bilden Betriebskindergärten, etwa in Spitälern. Diese bleiben zum Großteil geöffnet.

Klar ist: Zwischen zehn und 14 Uhr wurden Kundgebungen des Kindergartenpersonals angekündigt. Rund 100.000 Kinder und deren Familien könnten von den Protesten betroffen sein. Sie sind eingeladen, mitzudemonstrieren.

Gefordert werden vor allem kleinere Gruppen und mehr Personal – damit die Lehrkräfte genügend Zeit für die Arbeit mit den Kindern haben. Laut Gewerkschaft Younion fehlen alleine in den städtischen Kindergärten 600 Pädagoginnen und Pädagogen. In allen Wiener Einrichtungen mangle es an 1200 Lehrkräften im Elementarbereich.

Neben mehr Personal fordert man Aus- und Weiterbildungsoffensiven in ganz Österreich, Supervision in der Dienstzeit und bessere Arbeitsbedingungen. Ein einheitliches Bundesrahmengesetz soll vom Burgenland bis nach Vorarlberg gleiche Regeln bringen – etwa für die derzeit unterschiedlichen Gruppengrößen.

Wiens Bildungsstadtrat und Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr (Neos) kann die Proteste nachvollziehen. "Ich habe Verständnis für die Pädagoginnen und Pädagogen", sagt er dem STANDARD. Die Gewerkschaft habe mit ihren Demos und Kundgebungen seit Herbst 2021 erreicht, dass die Anliegen des elementarpädagogischen Personals öffentlich diskutiert würden. Wien habe deshalb auch, wie berichtet, das Kindergartenbudget für die nächsten zwei Jahre aufgestockt: von derzeit rund einer Milliarde auf erst 1,16 und dann 1,23 Milliarden. So sollen etwa in Kleinkinder- und Familiengruppen wöchentlich zehn bis 15 zusätzliche Assistenzstunden finanziert werden – ein Kniff, um den Mangel an Lehrkräften zu überbrücken.

Bund benötigt

Um die Situation langfristig zu verbessern, brauche es den Bund, wird in Wien stets betont. Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) hat bekanntlich zuletzt versprochen, den Ländern bis 2030 rund 4,5 Milliarden Euro für Kinderbetreuung zur Verfügung zu stellen. Der Betrag ist teils in die jüngste Einigung über den Finanzausgleich eingearbeitet: Jährlich 500 Millionen Euro für den elementarpädagogischen Bereich sind von 2024 bis 2028 im Zukunftsfonds veranschlagt. Details würden derzeit verhandelt, sagt Wiederkehr.

Gudrun Kern, pädagogische Leiterin des privaten Kindergartenträgers Kiwi, sieht in der angekündigten Aufstockung in Wien einen ersten Schritt "zur Verbesserung des Fachkraft-Kind-Schlüssels". Die Verkleinerung von Gruppen und die Personalaufstockung müssten von Bund und Land gemeinsam umgesetzt werden. "Benötigt wird in jedem Fall mehr Geld, als Bund und Land derzeit in Aussicht gestellt haben", sagt sie. Die jährlichen 500 Millionen Euro würden zwar nach viel klingen, seien aber "in Anbetracht der notwendigen Verbesserungen zu wenig", sagt der wirtschaftliche Leiter von Kiwi, Thomas-Peter Gerold-Siegl. Schließlich müssten die "Rahmenbedingungen für die Arbeit in Kindergärten und Horten ganzheitlich verbessert werden".

Der 24. Oktober soll nicht das Ende der Proteste sein. Die Situation sei äußerst prekär. Passiere nichts, wolle die Gewerkschaft weitere Aktionen setzen. (Oona Kroisleitner, Stefanie Rachbauer, 23.10.2023)