Mutter, von hinten fotografiert, hält weinendes Baby
Wenn Babys oder Kleinkinder weinen, werden oft Bauchschmerzen als Ursache vermutet. Doch auf Verdacht Fencheltee geben ist keine gute Idee.
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Wenn Baby weint und Bauchweh hat, kommt oft ein beliebtes Hausmittel ins Flascherl: Fencheltee. Die Bitterstoffe darin sollen helfen, Blähungen und Bauchschmerzen zu lindern. Immerhin will man gerade bei den Kleinsten mit Medikamenten eher zurückhaltend sein.

Doch nun wird massiv davon abgeraten. Denn es gibt Hinweise aus Tierversuchen darauf, dass das in Fenchel enthaltende Estragol in sehr hohen Dosen die Entstehung von Krebs begünstigen kann, vor allem in der Leber. Deshalb empfiehlt die Europäische Arzneimittelagentur (EMA), Arzneimittel oder Tees auf der Basis von süßem Fenchel erst ab einem Alter von vier Jahren zu geben.

"Der Estragol-Gehalt in den verschiedenen Teeangeboten schwankt stark. Deshalb kann die Dosis in einigen Tees für kleine Kinder zu hoch sein“, sagt der Kinderarzt Peter Voitl. Er ist Mitglied des Präsidiums der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde (ÖGKJ). Und er warnt gleich noch vor einer weiteren beliebten Anwendung: Man soll den Teebeutel keinesfalls noch extra ausdrücken. Genau das tun nämlich viele Eltern, weil dann ja die Konzentration des vermeintlich positiven Wirkstoffs besonders hoch wird.

Keine Höchstwerte bekannt

Doch was bedeutet möglichst wenig? Tatsächlich gibt es noch zu wenig Daten, um das genau sagen zu können, stellt die EMA in ihrer Stellungnahme zu estragolhaltigen pflanzlichen medizinischen Produkten fest, man könne deshalb keine wirklich sicheren Grenzwerte angeben. Kinder zwischen vier und elf Jahren sollten auf jeden Fall so wenig Estragol wie möglich konsumieren, jedenfalls sollte die Menge ein Mikrogramm pro Kilogramm Körpergewicht am Tag nicht überschreiten. Stillende und Schwangere sollten estragonhaltige Heilmittel oder Tees gar nicht zu sich nehmen.

Der geschätzte tägliche Konsum von Estragol durch Fencheltee bei Frauen in Österreich dürfte, so zeigt eine Untersuchung aus dem Jahr 2016, zwischen 0,32 und 6,42 Mikrogramm pro Kilogramm Körpergewicht und Tag liegen. Die für die Studie untersuchten Tees hatten einen Estragol-Gehalt zwischen 78,0 µg/l und 4.633,5 µg/l. Trinkt man einen Tee mit geringem Estragol-Gehalt, wäre die "sichere" Estragol-Menge nicht überschritten, aber bei jenen mit Höchstmengen schon. Bei 60 Kilogramm Körpergewicht wären sogar Höchstmengen von 385 Mikrogramm täglich möglich – ungefähr das Siebenfache der empfohlenen Menge.

Bei Säuglingen schwankte die verabreichte Tagesdosis dementsprechend stark zwischen 0,008 µg/kg/d und 20,78 µg/kg/d. Doch man muss nicht in Panik verfallen, gibt die EMA Entwarnung. Denn Säuglinge haben üblicherweise nur wenig andere Estragol-Quellen in der Ernährung, das sind Gewürze wie Anis, Basilikum, Sternanis, Piment, Muskatnuss, Lemongras, Estragon haben. Fencheltee wird meistens auch nicht sehr lange gegeben.

Hormonähnliche Substanzen

Beim Estragol kommt dazu, dass auch hormonähnliche Substanzen Bestandteil von Fenchel sind, sogenannte Phytoöstrogene. Eine iranische Studie zeigt, dass Fenchelextrakte, die man Mäusen in der Schwangerschaft und beim Säugen gegeben hat, den Östrogen-Signalweg bei den Nachkommen beeinflussen und damit etwa die Entwicklung der Eierstöcke. Die iranischen Forschenden regen deshalb an, dass die Auswirkungen des Fenchels mit seinem hohen Phytoöstrogengehalt auf den Menschen noch genauer untersucht werden sollte. Trinken Kinder regelmäßig Fencheltee, könne das womöglich auch eine Ursache für eine vorzeitige Brustentwicklung sein oder die Pubertät bei jungen Mädchen beschleunigen, das zeigt eine aktuelle französische Publikation.

Man muss jetzt aber nicht den gesamten Kräuterschrank ausräumen: "Viele oft verwendete Kräuter sind sicher, wenn sie in moderaten Mengen konsumiert werden. Die korrekte pharmakologische Zubereitung in Apothekenqualität ist aber entscheidend. Und man sollte nicht allzu große Mengen konsumieren, angesichts dieser verschiedenen Stoffwechselvorgänge", kommentiert Kinderarzt Voitl die Empfehlung der EMA. Und er betont: "Nicht immer weint das Baby wegen Blähungen, sondern oft auch aus anderen Gründen. Und die Wirksamkeit von Fencheltee ist nicht eindeutig belegt. Hat das Baby starke Beschwerden, sollte man immer den Kinder- und Jugendarzt aufsuchen." (Pia Kruckenhauser, 6.12.2023)