Ende des vergangenen Jahres brach eine Delegation der sudanesischen Armee in Richtung Iran auf. Ihr Auftrag: Bestellungen für die Lieferung von Drohnen, die zuletzt auch von Russland im Angriffskrieg gegen die Ukraine und von Huthi-Milizen im Jemen eingesetzt wurden.

Es spricht einiges dafür, dass die Bestellung, über die der in London ansässige TV-Sender Iran International berichtete, im Eilverfahren bearbeitet wurde. Erst im Oktober hatten der Sudan und Iran ihre diplomatischen Beziehungen nach sieben Jahren anhaltender Spannungen normalisiert. Seitdem gab es mehrere iranische Waffenlieferungen per Schiff und Flug in die von der sudanesischen Armee kontrollierte Küstenstadt Port Sudan. Und deren Kriegsgegner, die Miliz Rapid Support Forces (RSF), schoss lokalen Berichten zufolge Anfang Jänner eine erst seit dem Jahr 2018 im Iran produzierte Qods-Mohajer-6 des sudanesischen Militärs ab. Der Vorfall zeigt, dass der iranische Einfluss auch an der afrikanischen Uferseite steigt: Sudans Küste ist 750 Kilometer lang.

Deutschlands Außenministerin Annalena Baerbock
Deutschlands Außenministerin Annalena Baerbock stimmte sich mit ihren EU-Kollegen ab, bevor sie auf Vermittlungsmission nach Ostafrika reiste.
IMAGO/Thomas Imo

Die Ostafrika-Reise der deutschen Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) führt also in geopolitisch hochrelevantes Terrain. Und diese begann mit einer Panne: Am Mittwoch sollte sie in Dschibuti landen, musste aber wegen einer fehlenden Überflug-Genehmigung für Eritrea einen Stop-over in Saudi-Arabien einlegen. Am Donnerstag fliegt die Ministerin nicht mehr nach Dschibuti, sondern zuerst direkt nach Kenia und dann in den Südsudan. Baerbock will Möglichkeiten ausloten, den De-facto-Staatschef Abdel Fattah al-Burhan und dessen früheren Stellvertreter und RSF-Anführer, Mohamed Hamdan Daglo, nach neun Monaten erbitterter Kämpfe endlich an den Verhandlungstisch zu bekommen – "damit sie die Menschen in Sudan nicht weiter in den Abgrund reißen", so die Politikerin. An der Vermittlung versuchten sich bisher die USA, Saudi-Arabien, die Arabische Liga und gleich mehrere afrikanische Staatenbünde. Ohne Koordination und ohne Erfolg.

Probleme für Versorgungsketten

Die diversen Baustellen, mit denen die von Baerbock besuchten Länder derzeit zu kämpfen haben, offenbaren, wie komplex die Krise am Roten Meer bereits ist – und noch werden kann. Die vom Iran finanzierten Huthi-Rebellenangriffe auf Frachter haben bekanntlich Auswirkungen auf die globalen Versorgungsketten. Deutschland will sich schon ab Anfang Februar mit einer Fregatte an einer EU-Mission zur Sicherung des Seeverkehrs gegen Angriffe der Huthi-Miliz beteiligen.

Die Krisen auf der anderen Seite der Bab-al-Mandab-Meerenge – den Jemen und Dschibuti trennen wenig mehr als 20 Kilometer – spitzen sich derweil mit überschaubarer internationaler Anteilnahme zu. Der Konflikt im Sudan hat 12.000 Tote und 7,5 Millionen Vertriebene verursacht, instabile Nachbarstaaten wie der Südsudan und der Tschad nahmen 1,5 Millionen Flüchtlinge auf.

Auch in friedlicheren Gegenden auf dem Kontinent lässt die Krise am Roten Meer die ohnehin hohen Lebensmittelpreise weiter explodieren. Wissenschafter haben berechnet, dass schon ein zehnprozentiger Anstieg der Nahrungsmittelpreise die Wahrscheinlichkeit für politische Unruhen in Afrika um 39 Prozent erhöht. Dass Russland an der sudanesischen Küste zudem seit Jahren eine Militärbasis anstrebt, ist derweil fast in Vergessenheit geraten.

Zumindest am Rande der Baerbock-Reise wird es wohl auch um den Konflikt zwischen Addis Abeba und Somalia gehen. Bisher nutzt das riesige Binnenland Äthiopien den Hafen in Dschibuti, wofür der geschäftstüchtige Zwergstaat den Wucherpreis von jährlich 1,6 Milliarden Dollar berechnet. Äthiopien will diversifizieren und verkündete einen Hafendeal mit Somaliland. Die Region ist von Somalia abtrünnig und wittert die Chance auf die erste staatliche Anerkennung überhaupt. Entsprechend rigoros reagiert Somalia mit Kriegsrhetorik – sofort unterstützt von Ägypten, das mit dem großen Regionalrivalen Äthiopien seit Jahren bereits mit martialischen Tönen um Nutzungsrechte für einen Staudamm streitet.

Sudan dominantes Thema

Doch der Sudan bleibt natürlich das dominierende Thema. Die RSF hat in den vergangenen Monaten an Boden gewonnen, es halten sich Gerüchte, dass die Vereinigten Arabischen Emirate der Miliz militärischen Nachschub verschaffen – was von dem offiziell auf Neutralität bedachten Golfstaat bestritten wird. Die Plünderungen von Goldminen und Geschäftsverbindungen in zentralafrikanische Länder haben Daglo zu einem der reichsten Männer der Region gemacht. Die Ressourcen scheinen ihm jedenfalls vorerst nicht auszugehen.

Auch auf diplomatischer Ebene ist die RSF in die Offensive gegangen. Die Miliz versuchte über Mittelsmänner bei Vertretern der Europäischen Union die Gräueltaten, die ihr besonders in Darfur zur Last gelegt werden, herunterzuspielen. Geopolitisch könnte ihr zugutekommen, dass sie jahrelang Söldner in den Jemen schickte, die an der Seite der von Saudi-Arabien angeführten Koalition die Huthi-Miliz bekämpften.

Daglo will die Weichen für einen Vormarsch in Richtung Rotes Meer stellen und wurde zuletzt in einer ganzen Reihe afrikanischer Länder empfangen. Südafrikas Regierung begrüßte den vermeintlich neuen starken Mann des Sudans auf X (ehemals Twitter) dabei in einem rasch wieder gelöschten Tweet etwas voreilig als "Seine Exzellenz, Präsident Daglo".

Die von Baerbock erhoffte Demokratie im Sudan scheint in weiter Ferne zu liegen. (Christian Putsch, 24.1.2024)