Tschads Übergangspräsident Mahamat Idriss Déby zu Besuch bei Russlands Machthaber Wladimir Putin in Moskau am Mittwoch.
Tschads Übergangspräsident Mahamat Idriss Déby zu Besuch bei Russlands Machthaber Wladimir Putin in Moskau am Mittwoch. Russland versucht Frankreich auch das letzte verbliebene Bündnisland in der Sahel-Region im Kampf gegen Jihadisten abzuwerben.
EPA/MIKHAIL METZEL/SPUTNIK/KREML

Für den Staatsbesuch von Tschads Übergangspräsident Mahamat Idriss Déby hatte der Kreml seinen Fuhrpark nicht geschont. Das russische Propagandamedium "Sputnik" verbreitete auf X (vormals Twitter) ein Video, das angeblich die Fahrt Débys durch das verschneite Moskau dokumentierte. Der Konvoi umfasste 14 Autos, neun Motorräder und drei Kleinlaster – ein bemerkenswerter Aufwand für das demokratisch nicht legitimierte Oberhaupt eines wirtschaftlich schwachen Landes mit 17 Millionen Einwohnern.

Russland versucht Frankreich auch das letzte verbliebene Bündnisland in der Sahelregion im Kampf gegen Jihadisten abzuwerben – eine Entwicklung, die auch die USA mit Sorge betrachten, die mit dem Déby-Klan ebenfalls eine langjährige Militärkooperation pflegen. Anders als in Mali, Burkina Faso und zuletzt dem Niger hielt dieser Anker bislang. Im Tschad durfte Frankreich 1.000 Soldaten stationieren und revanchiert sich mit dem ein oder anderen Einsatz zum Schutz der örtlichen Regierung gegen Rebellen. Noch immer ist Frankreich wichtigster Handelspartner und die größte Quelle für Budgethilfe.

Französische Doppelmoral

Unter der jahrzehntelangen Herrschaft von Débys Vater funktionierte dieses symbiotische System, das Kritik an Menschenrechtsverletzungen weitgehend ausschließt, hervorragend. Als dieser im Jahr 2021 von Rebellen ermordet wurde, präsentierte sich Frankreichs Präsident Emmanuel Macron nur drei Tage später händeschüttelnd bei der Vereidigung des bislang als General agierenden Filius und ignorierte dabei die Verfassungswidrigkeit dieser Machtübernahme. Man hatte schließlich umfangreich in das Netzwerk der Dynastie investiert: Tschads mächtiger Geheimdienstchef Ahmed Kogri war teilweise vom französischen Auslandsgeheimdienst DGSE ausgebildet worden.

Als Déby eine Frist für Wahlen verstreichen ließ, überließ Paris entsprechend stillschweigend dem deutschen Botschafter Gordon Kricke die Rolle des öffentlichen Kritikers, der dafür prompt ausgewiesen wurde. Frankreichs Doppelmoral – Verurteilung von Putschen in weniger loyalen Ländern wie Mali, während im Tschad dutzende Protestierende getötet wurden – stärkt das rasant wachsende Heer der Kritiker von Macron in Westafrika.

Umstrittenes Verfassungsreferendum

Doch dem Vernehmen nach hat Frankreich Anfang Jänner auf diplomatischer Ebene deutliche Kritik an der Nominierung Débys für die Wahl geäußert, die in diesem Jahr mit zweijähriger Verspätung endlich stattfinden soll. Offenbar teilt Paris die Bedenken der lokalen Opposition, dass der 39-jährige Déby mit einem Verfassungsreferendum im Dezember die Weichen für eine ähnlich lange Regentschaft wie sein Vater gestellt hat.

Ohnehin hatte wie fast überall in der Sahelzone die antifranzösische Stimmung auch im Tschad spätestens seit September zugenommen, als ein französischer Militärsanitäter einen verletzten Soldaten des Tschad erschossen hat – in Notwehr, wie er sagt, der Mann habe während seiner Behandlung angefangen, auf ihn einzustechen. Wütende Bürger versuchten daraufhin die französische Militärbasis zu stürmen. Es gab im Jahr 2023 mindestens sechs Proteste gegen die französische Militärpräsenz im Tschad, einige schon vor dem Vorfall. Gerüchte über einen Rückzug des Energiekonzerns Total Energies machen die Runde.

Russisches Hilfsangebot

Der Zeitpunkt für die Umgarnung Débys ist also günstig für Russlands Präsidenten Wladimir Putin. Er lobte ihn für die "Stabilisierung des Landes" und äußerte sich "besorgt" über sie Sicherheitslage. Man beobachte das genau: "Wir sind bereit, in jeder Hinsicht zu helfen", sagte Putin.

Deutlicher kann man eine Einladung für ein Militärbündnis mit günstigen Konditionen nicht aussprechen. Dieses Szenario galt angesichts der engen Frankreich-Anbindung des Tschad bislang als ausgeschlossen. Das zentralafrikanische Land hatte bei den UN-Resolutionen zum Ukrainekrieg konstant gegen Russland gestimmt, verfügt über wenig historisch gewachsene Verbindungen zu Moskau.

Doch als ähnlich unvorstellbar galt lange auch eine derartige Kooperation mit dem Niger, bis zum Putsch im August vom Westen als Stabilitätsanker gepriesen. Nur eine Woche vor Débys Besuch sprach der von der Junta eingesetzte Premierminister des Landes bei Putin vor. Und unterzeichnete ein Militärabkommen. (Christian Putsch, 25.1.2024)