Manuel Feller hat geschafft, was ihm viele nicht zugetraut hätten: Die Slalomkugel zu holen ohne auch nur einmal rauszufliegen.
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Manuel Feller hat die Metamorphose vom Bruchpiloten mit Rückenbeschwerden zum Meister im Stangenwald geschafft. Seine Schwünge gehören zu den schnellsten, heikle Passagen bewältigt er scheinbar mühelos, für brenzlige Situationen findet er spontan gute Lösungen. Feller selbst will den Mund nicht zu voll nehmen: "Bei jedem Rennen", sagt der 31-jährige Tiroler, "gibt es 60 Tore, wo man einen Blödsinn bauen kann." Aber schlussendlich ginge es darum, dass man "mit zwei Holzbrettln von Rot auf Blau fährt. Und das so schnell wie möglich und mit Genuss."

In den vergangenen Jahren hat er als einer der Talentiertesten seiner Branche immer wieder einmal die Erwartungen der Skination, aber auch die eigenen nicht erfüllt, hat eingefädelt oder ist ausgerutscht. Die Zweifel und Zweifler mehrten sich. Kam er aber ins Ziel, dann lag er meist im Spitzenfeld. Sein Problem war die Beständigkeit.

Konstant

Diese Saison hat Feller sensationell geliefert. In neun Slaloms war er nie schlechter als Fünfter, ist also kein einziges Mal ausgefallen. Er hat die Torläufe in Gurgl, Adelboden, Wengen und Palisades Tahoe gewonnen, war Vierter in Kitzbühel und Chamonix, Fünfter in Madonna di Campiglio, Schladming und Aspen. Mit der Absage des Slaloms in Kranjska Gora war Feller bei nur noch einem ausstehenden Slalom im Rahmen des Weltcupfinales am Sonntag in Saalbach-Hinterglemm mit 169 Punkten Vorsprung auf den Deutschen Linus Straßer nicht mehr einzuholen. Er fixierte erstmals in seiner Karriere und erstmals seit 2021, als Vincent Kriechmayr im Super-G und Marco Schwarz im Slalom abgeräumt hatten, eine Kugel für Österreichs Männer.

Mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit wird Feller nun "The One and Only" sein. Am Ende einer von vielen Wetterkapriolen, Absagen und Verletzungen geprägten Saison wird er am Sonntag als Einziger der Alpinabteilung von Ski Austria eine Kristallkugel in Händen halten. Dass es überhaupt jemals so weit kommen konnte, hätten garantiert viele nicht für möglich gehalten, wohl auch er selbst nicht.

Feller genoss den Moment des Sieges in Palisades Tahoe.
AP/Robert F. Bukaty

Feller ist ein Spezialist des kurzen Schwungs, wenngleich er auch im Riesenslalom reüssiert. Was insofern verwunderlich ist, als er die herausfordernde Disziplin nur eingeschränkt trainiert. Es ist eine Vorsichtsmaßnahme, denn seit Jahren plagen ihn Rückenprobleme. Den ersten seiner vier Bandscheibenvorfälle hatte er bereits mit 20.

Bemerkenswert ist, dass er selbst unter dem steigenden Druck des immer besser in Form und mit Siegen in Kitzbühel und Schladming näher kommenden Straßer die Nerven behielt, nie in alte Muster zurück- und ausfiel. Er hat gelernt, trotz hoher Risikobereitschaft an den neuralgischen Punkten zu taktieren und nicht nur zu hasardieren. Zuletzt berichtete er allerdings von einer angespannten psychischen Verfassung, vor allem am Start: "Da kriegt man alle Zustände", sagte er, nachdem die Entscheidung in Aspen vertagt worden war. Aber für die Skifans sei das Match eine coole Sache und für ihn "ein Privileg, in so einer Situation zu sein". Nur hätte Feller die Entscheidung gerne bei einem Rennen herbeigeführt. "Im Zielbereich ist immer ein bissl mehr Emotion dabei. Da hätte es mir die Haxen ausgezogen, wenn der Moment gekommen wäre."

Premiere auf der Märchenwiese

Erstmals in seiner Weltcupkarriere passte am 16. Jänner 2021 alles zusammen. Er gewann just in Flachau sein erstes von bislang sechs Rennen. Im Vorfeld hatte er den Hang als Märchenwiese, quasi als Kinderhang, bezeichnet und sich damit großen Druck aufgeladen.

Feller lebt gerne im Moment, will nicht zu weit vorausplanen. Das gehe in seinem Fall nicht selten nach hinten los. Er ist bekannt für flotte Sprüche und kontert auch die Attacken seiner Kritiker mit Geschick. Mit seinen Videobotschaften "Felli speaks his mind" machte er sich in den sozialen Medien nicht nur Freunde, auch weil er kein Blatt vor den Mund nimmt, sagt, was er sich denkt. Egal ob es um das Thema Rauchen oder Styling geht. Feller redet auch gerne einmal mehr, dabei würde er, wenn es nach ihm ginge, keine Interviews geben. Aber er weiß, das ist Teil seines Jobs, den er auch schon mit grün gefärbtem Schnauzer erledigt hat.

Der Naturbursch stammt aus Fieberbrunn unweit von Kitzbühel, ist mit einer Schweizerin liiert, sie haben eine Tochter und einen Sohn. Die Familie ist ihm wichtig, Feller ist ein sozialer, umgänglicher Typ, der sich mit jedem seiner Teamkollegen das Zimmer teilen würde. Als Gelegenheitsmusiker mit einem Faible für Jamaika, Reggae und Dancehall passt Feller für manche vielleicht nicht wirklich ins klassische Bild eines alpinen Profisportlers, er ist aber in jedem Fall eine Bereicherung für den nicht gerade mit vielen coolen Typen gesegneten Weltcup.

Ob die Leute ihm zusehen würden, um ihn "siegen oder fliegen" zu sehen, sei ihm egal. "Das gehört alles dazu", sagt er. Er will seinen Teil zu dem Sport beitragen, den er so schätzt. Dass es bei ihm nun flutscht wie nie zuvor, ist seiner verbesserten Fitness und nicht zuletzt seinem Servicemann Richard Weißenbacher zu danken, der seine Latten perfekt präpariert.

Auch wenn Feller die prestigeträchtigen Siege bei den Klassikern in Kitzbühel und Schladming ebenso noch fehlen wie der Coup bei einem Großereignis, so war er immerhin schon mehrmals knapp dran: 2017 musste er sich bei der WM in St. Moritz hinter Marcel Hirscher mit Silber begnügen. 2021 führte er auf der Planai, 2023 am Ganslernhang und bei der WM in Courchevel, ehe er es jeweils in der Entscheidung vergeigte.

Doch nun wirkt er bereit. Wenn der Rücken hält, dann geht mit Fellers Routine und einer gewissen Selbstverständlichkeit im Gepäck noch mehr. (Thomas Hirner, 15.3.2024)