Junge Frau streut Parmesan über einen Teller Pasta
Pasta ohne kräftigen Parmesan ist für viele unvorstellbar – die meisten wissen dabei nicht, dass in dem Hartkäse ziemlich viel Glutamat drin ist.
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Herzrasen, Schwitzen, Kopf- und Gliederschmerzen, womöglich Kribbeln oder Ausschläge: Eines oder mehrere dieser Symptome treten relativ plötzlich auf, und man weiß nicht, wo sie herkommen. Bis einem einfällt, dass man zu Mittag im China-Restaurant gegessen hat, und man denkt sich: Ah ja, klar, Glutamat.

Dem Glutamat werden alle möglichen negativen Eigenschaften zugeschrieben, es gilt als generell schlecht für die Gesundheit. Dabei ist das Salz der Glutaminsäure eine ganz natürliche Substanz, die in zahlreichen Lebensmitteln vorkommt. Seine geschmacksverstärkende Wirkung entdeckte der japanische Biochemiker Ikeda Kikunae bereits im Jahr 1909, als er die Dashi-Brühe, die seine Frau kochte, biochemisch untersuchte, um herauszufinden, wie ihr würziger Geschmack zustande kam. In Folge ließ er sich das Glutamat, auf Englisch heißt es Mono Sodium Glutamate (MSG), als Geschmacksverstärker patentieren. Auf den Zutatenlisten hierzulande wird es als Mono-Natriumglutamat ausgewiesen.

Es verstärkt die Geschmacksrichtung umami, die neben süß, sauer, salzig und bitter als fünfte Geschmacksrichtung gilt und die man am ehesten mit fleischig oder deftig beschreiben kann. Und genau deshalb wird Glutamat in Fertiggerichten als Zusatzstoff verwendet. Und auch in China-Restaurants, heißt es, wird es großzügig eingesetzt, um die typische Geschmacksnote zu erreichen. Doch wie kam es zu dem schlechten Ruf?

Folgenschwerer Brief

Der geht zurück auf einen Brief, den der Arzt Robert Ho Man Kwok im Jahr 1968 an die renommierte wissenschaftliche Zeitschrift "New England Journal of Medicine" geschickt hat, dort wurde er am 4. April des Jahres veröffentlicht. Kwok, der selbst gebürtiger Chinese war, aber in den USA lebte, beschreibt darin, dass er, seit er im diesem Land lebe, jedes Mal, wenn er in einem chinesischen Restaurant gegessen habe, bereits nach 15 bis 20 Minuten seltsame Symptome wie "Taubheitsgefühl im Nacken, das allmählich in beide Arme und den Rücken ausstrahlt, allgemeine Schwäche und Herzklopfen" habe. In seiner Heimatstadt Kanton habe er diese Symptome nie verspürt.

Der Arzt spekuliert über die Ursache seiner Beschwerden und überlegt, dass diese möglicherweise vom hohen Salzgehalt der Speisen ausgelöst werden oder vom chinesischen Kochwein. Und er äußert die Vermutung, dass Mono-Natriumglutamat, das ja in chinesischen Restaurants großzügig verwendet werde, die Symptome auslöse. Der Brief endet mit einem Appell an andere Ärzte, mehr Forschung zu betreiben, unterzeichnet war er mit "Robert Ho Man Kwok, MD, Senior Research Investigator, National Biomedical Research Foundation, Silver Spring, MD".

Die Publikation in dem Journal an sich hätte wohl für wenig Aufmerksamkeit gesorgt, allerdings wurden die Medien darauf aufmerksam. Die "New York Times" publizierte am 19. Mai 1968 einen Artikel dazu und betitelte das Phänomen als "Chinese Restaurant Syndrome", wie der Historiker Richard Hemmer im Podcast "Geschichten aus der Geschichte" in Folge 124 berichtet.

Durch die mediale Aufmerksamkeit wurde das Phänomen auch wissenschaftlich genauer untersucht, bereits 1969 erschien im Journal "Science" eine Studie, in der die durch Glutamat ausgelösten Symptome bestätigt wurden. Andere Studien wiederum konnten diesen Zusammenhang nicht feststellen. Seither wurden immer wieder Studien publiziert, die den Zusammenhang entweder bestätigten oder verneinten. All das führte aber dazu, dass das "Chinese Restaurant Syndrome" in der Öffentlichkeit als bestätigt angesehen wurde.

Rassistischer Hintergrund

Glutamat wurde dabei nicht nur in der Küche von chinesischen Restaurants in den USA eingesetzt, in den 1960er-Jahren kam es dort bereits seit gut 20 Jahren als genereller Geschmacksverstärker zum Einsatz, auch in zahlreichen Kochbüchern wurde es als Zutat angeführt. Im Entdeckungsland Japan und in China wurde es bereits wesentlich länger verwendet. Und es kommt auch natürlicherweise in vielen Lebensmitteln vor, auch in größeren Mengen. Vor allem in Fleisch und Fisch, aber auch in länger gereiftem Käse, in Hülsenfrüchten wie Erbsen, in reifen Paradeisern und in Sojasauce.

Dass es ausgerechnet durch den Konnex mit chinesischen Restaurants bekannt wurde, dürfte den schlechten Ruf begründet haben, meint Hemmer, das habe einen rassistischen Hintergrund. Man habe die chinesische Kultur in den USA zu der Zeit immer noch mit großem Argwohn betrachtet, sie galt als unsauber, man vermutete Drogenmissbrauch und seltsame sexuelle Praktiken, chinesischstämmige Menschen wurden auch verdächtigt, Katzen und Hunde zu essen.

Spannende Zutat

Erst langsam ändert sich die Wahrnehmung von Glutamat. Galt es lange als Qualitätsmerkmal, wenn man erwiesenermaßen "glutamatfrei" kochte, ist das mittlerweile grundlegend anders. In Restaurants wird es ganz offen als wichtige Zutat geschätzt, auf Tiktok findet man zahlreiche Rezepte, die Glutamat explizit als Zutat einsetzen, wie DER STANDARD hier berichtete.

Auch hierzulande ist Glutamat als Geschmacksverstärker sehr beliebt, es befindet sich schon lange in Würzmitteln wie Maggi oder Aromat und auch in dem bei Vegetariern sehr beliebten Vegeta, weiß die Ernährungswissenschafterin Ursula Pabst: "Es intensiviert den Geschmack auf die immer gleiche Weise. Und genau diese Vertrautheit sorgt dafür, dass man immer wieder zu bestimmten Speisen oder Fertigprodukten greift."

Aber gibt es das China-Restaurant-Syndrom nun wirklich? Bewiesen wurde das nie. Es könnte eine pseudoallergische Reaktion sein, sagt Pabst. Sie findet nicht das Glutamat per se bedenklich. Vielmehr sei die Häufung aller möglichen Zusatzstoffe vor allem in Fertigprodukten zu hinterfragen: "Mit Mono-Natriumglutamat führt man logischerweise auch einiges an Natrium zu. Doch gerade Menschen mit Bluthochdruck sollten darauf achten, die Natriumzufuhr zu reduzieren."

Pabst empfiehlt mehr Mut beim Kochen: "Experimentieren Sie mit natürlichen Lebensmitteln, die Glutamat enthalten. Fermentierte Saucen, gereifter Käse oder getrocknete Tomaten geben köstliche Geschmacksnoten." Gewürzmischungen mit Glutamat sollte man aber lieber zurückhaltend einsetzen, findet sie. Wobei das nicht am Glutamat liegt, sondern vielmehr an der Tatsache, dass man dann ganz generell den Überblick verliert, wie viel Salz man tatsächlich beim Kochen verwendet. (Pia Kruckenhauser, 25.3.2024)