Glück ist ein schwer fassbarer Begriff, insbesondere für die Forschung. Ob bei einer Erhebung tatsächlich das persönliche Glücklichsein gemessen wird, ist daher nicht immer klar.
Foto: IMAGO/Robin van Lonkhuijsen

Vor wenigen Tagen hat Finnland zum siebenten Mal in Folge den ersten Platz in der jährlichen Rangliste der glücklichsten Länder der Welt eingeheimst. Grundlage dieses Rankings ist der World Happiness Report, der auf einer einfachen Fragestellung basiert. Aber wird mit diesem simplen Verfahren tatsächlich das Glücklichsein erhoben? Das Ergebnis einer schwedischen Studie lässt stark daran zweifeln.

Die Verwendung derselben Frage zur Messung von Glück über viele Jahre und über verschiedene Kulturen hinweg ist gewiss eine passable Methode, um die Ergebnisse auf globaler Ebene vergleichen zu können. Das Verfahren des World Happiness Report bedient sich dabei der sogenannten Cantril-Leiter. Die Aufgabe lautet folgendermaßen: "Stellen Sie sich bitte eine Leiter mit Stufen vor, die von 0 am unteren Ende bis 10 am oberen Ende nummeriert sind. Die Spitze der Leiter stellt das bestmögliche Leben für Sie dar, und das untere Ende der Leiter stellt das schlechtestmögliche Leben für Sie dar. Auf welcher Stufe der Leiter, würden Sie sagen, stehen Sie derzeit persönlich?"

Das Glück ist ... Beziehungssache

Ein Team um August Nilsson von der schwedischen Universität Lund wollte herausfinden, wie die Menschen diese Frage wirklich interpretieren, und führte dafür eine Befragung von 1.500 Teilnehmerinnen und Teilnehmern in Großbritannien durch. Die nun im Fachjournal "Scientific Reports" präsentierten Resultate zeigen – kurz zusammengefasst – vor allem eines: Die Menschen verbinden mit der Fragestellung eher Begriffe wie Reichtum und Macht. Doch beides hat allenfalls am Rande mit echtem Glück zu tun.

Tatsächlich haben deutlich aufwendigere Studien in der Vergangenheit ergeben, dass bei aller Unterschiedlichkeit und Individualität der Menschen vor allem ein Faktor als herausragendstes Glückskriterium gilt: gute Beziehungen, und zwar sowohl mit Freunden wie mit Lebenspartnern. Zwar werden Wohlstand, Gesundheit, beruflicher Erfolg oder erfüllende Freizeitbeschäftigungen als durchaus wichtige Faktoren genannt, aber ausschlaggebend für ein glückliches Leben dürfte dann doch das zwischenmenschliche Miteinander sein.

Geänderte Fragestellungen

"Das Risiko besteht darin, dass beim World Happiness Report eine viel zu enge, auf Reichtum und Macht ausgerichtete Form des Wohlbefindens gemessen wird und nicht eine breitere Definition von Glück", sagte Nilsson. Das zeigte sich insbesondere, als die Forschenden die Cantril-Frage abänderten.

Konkret erhoben die Forschenden, wie die Menschen die Cantril-Leiter im Vergleich zu andersartigen Formulierungen beurteilten. Im Detail ergab die Umfrage, dass 17 Prozent aller Wörter, die die Befragten zur Interpretation der Cantril-Leiter verwendeten, im Bedeutungskontext von Macht und Geld angesiedelt waren.

Als die Forschenden die Leiteranalogie aus der Frage entfernten, stellten sie fest, dass der Anteil an Macht- und Geldwörtern auf elf Prozent zurückging. Als sie die Beschreibung des unteren bzw. oberen Bereichs der Skala entfernten, verringerte er sich weiter auf sieben Prozent. Bei diesen Fragen ging es den Befragten zwar immer noch um Geld, aber sie verwendeten dabei Formulierungen wie "finanzielle Sicherheit" und "genügend Geld". Begriffe wie "Wohlstand", "Reichtum" oder "Oberschicht", wie es bei der Cantril-Leiter der Fall war, kamen dagegen nicht mehr vor.

Die laut World Happiness Report 49 glücklichsten Staaten, aufgeschlüsselt nach Alter.
Grafik: World Happiness Report

Harmonisch statt gut

Auch als die Frage umformuliert wurde, indem "Nummer 10 steht für das beste Leben für Sie" durch "Nummer 10 steht für das harmonischste Leben für Sie" ersetzt wurde, führte dies zu weniger Assoziationen mit sozialem Status, Macht und Reichtum (fünf Prozent) und zu mehr Begriffen, die mit allgemeinem Wohlbefinden zu tun hatten wie Beziehungen, Vereinbarkeit von Beruf und Familie und Gesundheit.

Schon frühere Untersuchungen hatten ergeben, dass die Cantril-Leiter das Einkommensniveau und den sozialen Status der Menschen stärker widerspiegelt als andere Indikatoren für das Wohlbefinden. Die aktuelle Studie untermauerte diese Befunde zusätzlich. Für Nilsson und seine Kolleginnen und Kollegen wäre das Grund genug, die einfache Frage bei künftigen Erhebungen zum World Happiness Report zu ergänzen.

Globale Glücksforschung

"An unserer Studie waren ausschließlich Menschen aus Großbritannien beteiligt. Angesichts der globalen Natur dieses Themas sollte diese Forschung natürlich auch in anderen Ländern durchgeführt werden. Unsere Ergebnisse deuten jedoch jetzt schon darauf hin, dass hier Glück und Wohlbefinden nicht unbedingt so gemessen wird, wie wir diese Begriffe in unserem Leben tatsächlich definieren", erklärte der Psychologe.

Die Wissenschafter fordern daher, dass in diesem Bereich weitergeforscht werden müsse. "Es ist besonders wichtig zu verstehen, wie Menschen Fragen zum Glück interpretieren, denn wie glücklich jemand ist und wie er Glück definiert, kann nicht von einem Forscher, sondern muss von den Menschen selbst bestimmt werden", schloss Nilsson. (Thomas Bergmayr, 22.3.2024)