Einsatzkräfte in den Ruinen der Crocus City Hall bei Moskau.
Einsatzkräfte in den Ruinen der Crocus City Hall bei Moskau.
via REUTERS/Russian Emergencies

Nationaler Trauertag in Russland am Sonntag. Die Menschen in Moskau brachten Blumen zur Konzerthalle, gedachten der mindestens 137 Toten des Terroranschlags. Viele Opfer liegen noch in Krankenhäusern, kämpfen um ihr Leben. Am Sonntag war von mehr als 150 Menschen in kritischem Zustand die Rede. Die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) hatte die Tat bereits in der Nacht auf Samstag für sich reklamiert. Das Bekennerschreiben stammt von einem Ableger des IS, der sich ¬„Islamischer Staat Provinz Khorasan“ nennt.

Nach dem Anschlag hatte die Terrormiliz ein Foto veröffentlicht, das die vier mutmaßlichen Täter zeigen soll. International gilt die Urheberschaft der Terrormiliz inzwischen als halbwegs gesichert. Doch Russlands Präsident Wladimir Putin sieht eine "ukrainische Spur" hinter dem Anschlag. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj wies dies kategorisch zurück. "Nach dem, was in Moskau passiert ist, versuchen Putin und die anderen Bastarde natürlich nur, jemand anderem die Schuld in die Schuhe zu schieben."

Putin hingegen sprach in einer Rede von einer angeblichen Verwicklung der Ukraine in den Terroranschlag. Mit Blick auf vier der inzwischen festgenommenen Verdächtigen sagte er: "Sie haben versucht, sich zu verstecken, und haben sich in Richtung Ukraine bewegt, wo für sie ein Fenster für einen Grenzübertritt vorbereitet worden war." Zuvor hatte Russlands Inlandsgeheimdienst FSB über Festnahmen in der Grenzregion Brjansk berichtet.

Erfahrene Kämpfer

Im Netz kursiert ein Video, das das Verhör eines der Verdächtigen zeigen soll. Es sind grausame Bilder. Beamte foltern den 30-jährigen Rajab A., schneiden ihm ein Ohr ab. Festgenommen worden sei er in der Nähe des Orts Khatsun, rund 140 Kilometer von der ukrainischen Grenze entfernt.

Das Kreml-kritische Onlinemedium Meduza konnte das Video geolokalisieren und bestätigte den Ort, der wenige Kilometer hinter der Kreuzung der Autobahnen M3 und P-120 liegt. Sie führt nach Westen zur Grenze nach Belarus und nach Süden zur Ukraine. A. war in südlicher Richtung unterwegs, so Meduza: "Der Ort bestätigt offenbar die Behauptung russischer Staatsbeamter, die Verdächtigen seien auf dem Weg in die Ukraine." Das beweist allerdings nicht, dass Kiew hinter dem Terroranschlag steht. Unklar bleibt auch, ob es sich wirklich um den Ort der Festnahme handelt.

Viele Trauernde legten am Sonntag vor der Konzerthalle bei Moskau in Gedenken an die Opfer des Anschlags Blumen nieder.
Viele Trauernde legten am Sonntag vor der Konzerthalle bei Moskau in Gedenken an die Opfer des Anschlags Blumen nieder.
AP/Alexander Zemlianichenko

Details zum Terroranschlag nannte das Onlinemedium RBC unter Berufung auf eine Quelle in den Sicherheitsbehörden. Man gehe davon aus, dass die Terroristen erfahrene Kämpfer waren. "Es ist offensichtlich, dass die Angreifer eine Schussausbildung hatten: Sie feuerten einzelne Schüsse oder kurze Salven, während sie sich professionell bewegten", heißt es bei RBC. Im Fahrzeug der festgenommenen Verdächtigen fanden die Behörden angeblich eine Pistole und Pässe von tadschikischen Bürgern. Prompt äußerte sich das Außenministerium Tadschikistans, machte "auf die Notwendigkeit einer verantwortungsvollen Behandlung bei der Verbreitung von Informationen über die Beteiligung von tadschikischen Bürgern aufmerksam".

Rückzugsort für Radikale

Islamistische Terroristen, sie müssen nicht aus dem Ausland kommen. 2002 hatten tschetschenische Bewaffnete 850 Menschen in einem Musicaltheater in ihre Gewalt gebracht. Die Terroristen wurden erschossen. 135 Geiseln kamen ums Leben. Wohl auch durch Fehler der Polizei. Mehr als 10.000 Tschetschenen flüchteten während der Tschetschenienkriege ins benachbarte Georgien, sie leben heute im Pankissi-Tal, einem Rückzugsort für radikale Kämpfer und Terroristen. Angeblich stammte auch Omar al-Shishani, ein ehemaliger Anführer des IS, aus dem Pankissi-Tal. Nach unbestätigten Berichten starb er im Juli 2016.

Die Crocus City Hall am Freitagabend in Flammen, nachdem Bewaffnete die Konzerthalle bei Moskau gestürmt, das Feuer eröffnet und einen Brand gelegt haben.
Die Crocus City Hall am Freitagabend in Flammen, nachdem Bewaffnete die Konzerthalle bei Moskau gestürmt, das Feuer eröffnet und einen Brand gelegt haben.
EPA/VASILY PRUDNIKOV

Die vier Hauptverdächtigen des aktuellen Anschlags wurden am Samstagabend zum Verhör nach Moskau gebracht. Wie die russische Staatsagentur Tass berichtet, waren die Männer in einer streng abgesicherten Wagenkolonne aus der Region Brjansk zum sogenannten Ermittlungsausschuss gefahren worden. In den kommenden Tagen solle vor Gericht ein Antrag auf Haftbefehl gestellt werden. Den Tätern drohe lebenslange Haft, heißt es bei Tass. Nach dem Anschlag waren insgesamt elf Verdächtige festgenommen worden.

Raketen auf Westukraine

Der Krieg in der Ukraine geht unterdessen trotzdem unvermindert weiter. Bei Raketenangriffen auf Regionen in der Westukraine hat Russland polnischen Angaben zufolge am Sonntag kurzzeitig den Luftraum des Nato-Mitglieds Polen verletzt. Ein von einem Langstreckenflugzeug Russlands abgeschossener Marschflugkörper sei demnach in der Nähe der Stadt Oserdów in den polnischen Luftraum eingetreten und dort 39 Sekunden geblieben. In der Nacht zum Sonntag hat die Ukraine zudem die Hafenstadt Sewastopol auf der ¬annektierten Halbinsel Krim mit Raketen angegriffen. Dabei soll eine Person getötet und zwei russische Landungsschiffe sollen getroffen worden sein. (Jo Angerer aus Moskau, 24.3.2024)