Seit Jahren lebt Frankreich – leider – fast wie selbstverständlich mit der Gefahr durch Terrorismus. Wie die Regierung in Paris am Sonntagabend bekanntgab, musste nun der "Plan Vigipirate", das Paket mit Sicherheitsmaßnahmen zum Schutz gegen Terrorismus, von der zweiten auf die dritte und somit höchste Warnstufe erhöht werden. Dies bedeutet, dass Terroranschläge "unmittelbar" drohen sollen. Das permanente Kontingent von 3.000 Vigipirate-Soldaten wird daher durch Gendarmen und bewaffnete Sicherheitskräfte mit sofortiger Wirkung auf 7.000 verstärkt.

Vor öffentlichen Gebäuden wie Bahnhöfen, Museen und Schulen werden Handtaschen und Rucksäcke kontrolliert. Die Polizeipräfekte in ganz Frankreich können auf Basis dieser Warnstufe sogenannte Gefährder der "Kartei S" ohne vorherige richterliche Genehmigung mit Hausarrest belegen und auch spezielle Maßnahmen ergreifen, wie etwa Personenversammlungen und Demonstrationen verbieten.

Öffentliche Plätze und Sehenswürdigkeiten (im Bild der Pariser Eiffelturm) werden routinemäßig von Antiterroreinheiten bewacht.
Öffentliche Plätze und Sehenswürdigkeiten (im Bild der Pariser Eiffelturm) werden routinemäßig von Antiterroreinheiten bewacht.
AP/Michel Euler

Premierminister Gabriel Attal berief am Montag ein Treffen mit Ministern, Ministerinnen und Terrorfachleuten ein. Er begründete den Schritt mit dem Moskauer Anschlag vom vergangenen Freitag, der auf das Konto der Terrormiliz "Islamischer Staat Provinz Khorasan" (ISPK oder IS-K) gehe. "Diese Organisation bedroht auch Frankreich", erklärte der Premier. "Sie war zudem jüngst in mehrere vereitelte Attentatsprojekte in mehreren Ländern verwickelt, darunter Deutschland und Frankreich."

Die deutsche Innenministerin Nancy Faeser machte ebenfalls die Gruppe "Islamischer Staat Provinz Khorasan" für die Tat verantwortlich und warnte vor Gefahren, die auch für Deutschland relevant sein könnten. Konkrete Maßnahmen würden aber zum aktuellen Zeitpunkt nicht ergriffen.

Erinnerung an Bataclan

Dass Frankreich gleich zur Tat schreitet und die höchste Terrorwarnung ausgibt, hat mehrere Gründe. Der Anschlag in Russland weckt Erinnerungen an den Überfall von 2015 auf das Pariser Konzertlokal Bataclan. 131 Menschen kamen damals ums Leben, über 400 wurden verletzt. Im Anschluss daran führte der damalige Staatspräsident François Hollande den dreistufigen Antiterrorplan "Vigipirate" ein, der seitdem immer auf der einen oder anderen Stufe aktiv war.

Schon im vergangenen Oktober war das Alarmdispositiv für drei Monate auf die Höchststufe gesetzt worden, als ein aus Inguschetien (Kaukasus) stammender ehemaliger Schüler in der nordfranzösischen Stadt Arras einen Lehrer ermordete. Kurz vor der Tat war der Nahostkonflikt durch den Hamas-Angriff auf Israel neu ausgebrochen. Die französischen Behörden versuchten damals gezielt, vor allem ein Übergreifen der nahöstlichen Gewalt auf die Vorstädte von Paris, Lyon oder Marseille zu verhindern.

Wie groß die Spannungen in Frankreich auch jetzt sind, zeigte sich am Montag in der elsässischen Stadt Colmar, wo infolge von Bombendrohungen zwei Mittelschulen geräumt werden mussten. Französische Terrorexperten warnen schon seit längerem vor sogenannten Lowcost-Attentätern, die sich via Internet radikalisieren und weitgehend auf eigene Faust handeln.

Gefahrenpotenzial Olympia

Und die mutmaßlichen Täter oder Täterinnen werden immer jünger: Erst am Freitag eröffnete die Justiz ein Strafverfahren gegen einen 14-Jährigen, der beschuldigt wird, ein Attentat in einem Einkaufszentrum der Stadt Lille geplant zu haben. Der Jugendliche hatte im Internet IS-Propaganda verbreitet und gab bei Vernehmungen zu Protokoll, er wolle den Propheten Mohammed rächen, der in Karikaturen schlecht und lächerlich gemacht worden sei.

Die Pariser Behörden machen sich nicht nur Sorgen im Hinblick auf das kommende Osterwochenende, sondern vor allem wegen der olympischen Sommerspiele in Paris. Das Organisationskomitee hat die Zahl der Zaungäste und Schaulustigen bei der Eröffnungsfeier entlang der Seine aus Sicherheitsgründen schon von ursprünglich zwei Millionen auf wenige Hunderttausend zusammengestrichen. Der Geopolitik- und Terrorexperte Pascal Boniface sagte am Montag in Paris, die Sicherheitsfrage sei "zweifellos die wichtigste Herausforderung" der Pariser Spiele.

Nicht zuletzt als Reaktion auf den jüngsten Anschlag in Russland erhöht auch Italien vor den Osterfeierlichkeiten die Sicherheitsvorkehrungen. Die Überwachung durch die Polizei werde verstärkt, teilte das Innenministerium in Rom am Montag mit. Besondere Aufmerksamkeit gelte sensiblen Zielen – diese liegen in diesen Tagen naturgemäß im und um den Vatikan sowie in zahlreichen Kirchen der italienischen Hauptstadt. (Stefan Brändle aus Paris, 25.3.2024)