Fünf Kinder unterschiedlicher Ethnien spielen gemeinsam Fußball
Ob Kinder Freude an der Bewegung haben, ist für ihre mentale Gesundheit später ein entscheidender Faktor.
Getty Images/iStockphoto/monkeybusinessimages

Erinnern Sie siech an Ihre erste Schnitzeljagd? An das Hochgefühl, als Sie es das erste Mal alleine zur Spitze des Kletterturms auf dem Spielplatz geschafft haben? Oder denken Sie eher mit Grauen an die sportlichen Aktivitäten in der Kindheit zurück, an das Völkerballspielen und das Wählen von Teams möglicherweise? Der Lebensstil in der Kindheit legt nämlich einen entscheidenden Grundstein für die Gesundheit in späteren Jahren. Die Bewegung spielt dabei nicht nur im Sinne der Adipositas-Prävention eine entscheidende Rolle – DER STANDARD berichtete dazu etwa hier –, es geht dabei vor allem um die Auswirkungen auf die psychische Gesundheit.

Ob man sich in jungen Jahren gerne und dementsprechend viel bewegt hat, hat nämlich Auswirkungen auf die psychische Gesundheit im Erwachsenenalter. Das konnte aktuell wieder im Rahmen einer irischen Studie belegt werden. Die Ergebnisse zeigen, dass körperliche Aktivität in der Kindheit bis ins junge Erwachsenenalter das Risiko für depressive Symptome und Depressionen deutlich verringert.

Mädchen neigen eher zu psychischen Problemen

Sport wirkt auch dann noch positiv, wenn Kinder bereits depressive Symptome entwickelt haben. Das zeigten bereits vor längerer Zeit chinesische Forscherinnen und Forscher: Körperliche Aktivität reduziert die Beschwerden bei bestehender Depressivität, so das Ergebnis ihrer Studie. "Gerade vor dem Hintergrund einer wachsenden Zahl von jungen Menschen mit psychischen Problemen kann dieser Effekt wichtig sein", betont Reinhold Kerbl. Er ist Generalsekretär der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde (ÖGKJ) und Abteilungsleiter für Kinder- und Jugendheilkunde am LKH Hochsteiermark in Leoben. Maßnahmen, die die körperliche Aktivität in der Kindheit fördern, könnten Kinder mit psychischen Problemen unterstützen und depressiven Symptomen in zukünftigen Lebensphasen vorbeugen.

Denn depressive Störungen prägen sich zwar im Schnitt erst im jungen Erwachsenenalter von etwa 19,5 Jahren voll aus, aber die Symptome können sich schon bis zu fünf Jahre vor der Diagnose entwickeln. Das verdeutliche die Notwendigkeit, früh Gegenmaßnahmen zu ergreifen, schreiben die Forscherinnen und Forscher von Belfast und Coleraine. Ein beeinflussbarer Faktor, der der irischen Studie zufolge durchweg mit depressiven Symptomen in Verbindung gebracht werden konnte, ist körperliche Aktivität. Kinder, die früh im Leben am aktivsten sind, bewegen sich auch im Erwachsenenalter mehr – und das, obwohl körperliche Aktivität im Allgemeinen mit zunehmendem Alter tendenziell abnimmt.

Dabei tendieren Mädchen eher dazu, wenig körperlich aktiv zu sein und depressive Symptome zu entwickeln, das zeigen mehrere Untersuchungen. Das verstärkt sich noch weiter, wenn sie übergewichtig sind. Wenig Bewegung kann Übergewicht begünstigen, und mehr Gewicht erschwert wiederum sportliche Aktivitäten – ein Teufelskreis.

Sport senkt Stresslevel

Warum körperliche Aktivität Depressionen und andere psychische Probleme lindern kann, ist noch nicht vollständig geklärt. Erfolg im Sport kann das Selbstvertrauen stärken, und das kann in der Folge zu einer Abnahme depressiver Symptome führen. Aber auch die sozialen Beziehungen, die sich aus der regelmäßigen Teilnahme an sportlichen Aktivitäten ergeben, können sich positiv auf die psychische Gesundheit auswirken.

Eine Theorie geht davon aus, dass regelmäßige körperliche Aktivität die Funktion der sogenannten Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse verbessert, das ist vereinfacht ausgedrückt die "Stressregulationsachse". "Körperliche Aktivität senkt den Spiegel der Stresshormone Cortisol und Adrenalin. Der Körper produziert Endorphine, also Glückshormone, die Stress und Schmerzen lindern und die Stimmung aufhellen", erklärt Kerbl.

Mehr Depressionen seit Corona-Pandemie

Mit der Corona-Pandemie hat die Häufigkeit von Angststörungen und Depressionen bei Kindern und Jugendlichen weltweit zugenommen. In Österreich zeichnet sich eine ähnliche Entwicklung ab, DER STANDARD berichtete dazu unter anderem hier. Der Anteil an Heranwachsenden, die Psychopharmaka und Antipsychotika erhalten, ist deutlich gestiegen.

"Wenn eine medikamentöse Behandlung und beziehungsweise oder eine Therapie erforderlich sein sollte, kann Bewegung die Therapie unterstützen. Insbesondere Ausdauersportarten wie Radfahren, Mannschaftssportarten und Spazierengehen oder Laufen im Freien haben sich als besonders wirksam erwiesen", sagt Kerbl. Kinder und Jugendliche im Alter von fünf bis 17 Jahren Jahren sollten sich täglich mindestens 60 Minuten moderat bis intensiv bewegen, rät er. Falls Eltern unsicher sind, ob ihr Kind depressiv ist, sollten sie unbedingt mit einem Arzt oder einer Ärztin darüber sprechen. Und wie man depressiven Jugendlichen im Alltag am besten helfen kann, lesen Sie hier. (poem, 26.3.2024)