Van den Acker (links) vor seinem jüngsten "Baby", dem neuen R5.
Renault

Wo Renault draufsteht, steckt seit 2009 Laurens drin: Laurens van den Acker, in einem früheren Leben beispielsweise bei Audi, Ford und Mazda tätig, hat mit dem französischen Konzern das für ihn optimale kreative Biotop gefunden.

Bevor er bei Renault anheuerte, war van den Acker (seit 2006) Designchef bei Mazda – hier im Bild mit der Kleinwagenstudie Kiyora von 2008 – und dort eher glücklos.
Mazda

Gerade ist der Rummel besonders groß, ist die Weltpremiere des neuen R5 beim Genfer Salon über die Bühne gegangen, alle sind des Lobes voll, die Schulter müsste ihm schon wehtun vom vielen anerkennend Draufklopfen – dennoch nimmt der sympathisch bodenständig gebliebene Niederländer entspannt Platz und steht Rede und Antwort.

Etwa zur Frage R5. Das Original hat sich redlich verbraucht, in Erfahrungen und Erinnerungen umgewandelt – und nimmt jetzt einen ganz neuen Anlauf, unsere Vergangenheit ist unsere Zukunft: Wie kam der Neue eigentlich zustande? "2019 dachten wir nach, wie wir Twingo und Zoe fortführen – für zwei kleine E-Autos hatten wir kein Geld. Also war eines der Szenarien ein R5, zwischen beiden positioniert. Das Management fand das Auto niedlich, aber der Business-Case war nicht darstellbar." Dann haben die das im Keller verräumt "wie einen guten Wein", mit einer Plane drüber, und auf bessere Zeiten gewartet.

Renault-Konzernchef Luca de Meo hatte bei Fiat schon das richtige Händchen mit dem Cinquecento. Er ermöglichte auch die R5-Wiederkunft.
AFP/FABRICE COFFRINI

Die kamen wenige Monate später in Person des neuen Chefs: Luca de Meo, der bei Fiat bereits dem 500 das Laufen beigebracht hatte, erkannte sofort das Potenzial. Van den Acker: "Ohne ihn hätte das nie geklappt." Und was die Proportionen betrifft: "Ohne Elektroplattform hätten wir das Auto nie so hinstellen können. Nur da kann man die Räder nahe an die Ecken stellen, ohne große Überhänge. Mit Verbrennungsmotor hätte das Auto 100, 150 Millimeter längere Überhänge."

"Retrofuturistisch" nenne der Chefdesigner den Ansatz.
Renault

Das Ganze rechnet sich allerdings erst, wenn auf dieser Elektro-Kleinwagenplattform mehrere Autos stehen, 2025 kommt ja noch der (größere) R4, ein Jahr darauf der Twingo, das soll dann die nötigen Volumina bringen. "R5 und R4, die positionieren wir ein wenig wie Mini und Mini Countryman."

Und hier das Original in der Zeitkapsel.
Stockinger

Ob das Thema Retro bei Renault funktionieren werde, haken wir nach. "Das Auto ist retrofuturistisch. Das ist kein Retro im Sinne von Nostalgie, Harley-Davidson und so, sondern modern, ikonisch. Luca meinte, hätten wir den R5 kontinuierlich von Generation zu Generation weiterentwickelt wie Porsche den 911, dann sähe er genau so aus."

Laurens van den Acker in einem seiner zahlreichen Showcars: "Träume muss man zulassen."
Renault / Yves FORESTIER

Und: "Ich habe sehr viele Konzeptautos gemacht, viele Träume. So was muss man auch zulassen können: Eine Firma, die keine Träume hat, hat keine Zukunft. Luca wünscht von uns, dass wir realisierbare Träume machen." Die Reaktionen, als der Entwurf 2021 erstmals öffentlich vorgestellt wurde, hatten dann die letzten Zweifel beseitigt. "Dass die derart positiv ausgefallen sind, hat mich überrascht und bestärkt. Das Schlimmste ist ja, wenn man das falsche Auto macht."

Die Branche erlebt gerade eine rasante Beschleunigung der Entwicklungszeiten, beim R5 waren es statt vier Jahre drei, beim R4 sollen es zwei werden. Ob KI im kreativen Prozess eine sinnvolle Unterstützung sein kann? "Wir fassen alles an, um schneller zu werden, keine Zeit zu verschwenden. Da haben wir keine Tabus. Momentan liefert uns KI im Nu 200 Entwürfe – 99 Prozent davon sind scheiße. Ist der Hype erst einmal vorbei, werden sich Wege finden, wie man das vernünftig nutzen kann. Besonders interessiert sind wir am Schritt von der zweiten in die dritte Dimension."

Nach der Überraschung ist vor der Überraschung: Laurens van den Acker macht Appetit auf mehr – und kann sich eine Neuinterpretation des Sportcoupés Fuego (Bauzeit 1979 bis 1986) vorstellen.
Renault

Beim Thema Retro, dem Neudenken historischer Themen, hat der Niederländer eine interessante Beobachtung gemacht. "Es gibt ein Zeitfenster von 40, 50 Jahren. Wir machten vor zehn Jahren den Alpine A110. Wir sagten, wenn, müssen wir das jetzt tun, sonst sind alle tot, die das Auto kannten. Jetzt sind die 1970er dran. R5 und R4 in zehn Jahren wäre zu spät. Beim R5 sind wir genau richtig, viele sagen: Ah, meine Eltern hatten so einen, oder: Ich habe in dem Fahren gelernt. Supermagie: Alle schlechten Eigenschaften sind vergessen, die guten noch in Erinnerung. Als Nächstes kommen die 80er." Welcher Renault dann infrage käme? "Ein Fuego, R16, vielleicht die ersten Espace."

Die Luxuslimousine französischen Zuschnitts – die letzte bei Renault war der fürchterlich gefloppte Vel Satis, ein eigentlich spannender Wurf von van den Ackers Vorgänger Patrick le Quément – hält van den Acker für tot.

Der Vel Satis war 2002 Renaults bisher letzter Ausflug in die Oberklasse. Das Foto zeigt das Facelift von 2005 beim damaligen Genfer Autosalon.
Stockinger

Die größte ästhetische Schwierigkeit ist aber der Umstand, dass die Autos (auch optisch) immer fetter werden: Sicherheitsanforderungen, bei E-Autos Unterflurkonzepte, es gibt keine schlanken Autos mehr. "Von einer Generation zu nächsten kommen derzeit einfach so 100, 150 Kilogramm dazu, wegen der neuen Homologationsbestimmungen. Meine Vision ist, dass die Autos eines Tages so intelligent sind, dass es nie wieder zu einem Unfall kommt, auch wenn du schläfst hinterm Steuer. Das spart Hunderte von Kilos. Ich freue mich auf die Zeit, wenn die Autos wieder schlanker werden. Das wird eine Revolution im Design."

Eine Renaulution, wie Luca de Meo sagen würde. (Andreas Stockinger, 28.3.2024)