Joe Biden in der Mother Emanuel Church in Charleston, South Carolina, auf deren Besucher 2015 ein rassistischer Terroranschlag verübt worden ist. Der US-Präsident besucht nun wieder vermehrt Orte, an denen er mit afroamerikanischen Wählern in Kontakt kommt.
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Es war ein Tag im November, als sich die Strategen der Demokratischen Partei trafen. Joe Biden hatte gerade mehrere Truthähne für Thanksgiving begnadigt und dabei keine tolle Figur gemacht. Der US-Präsident, beschrieb die "Washington Post" später, sei über seine Umfrageschlappen gegen Donald Trump frustriert gewesen. Seither ist Biden intensiver in den Wahlkampf eingestiegen, tourt von Stadt zu Stadt und hat mit einer lebhaften Rede zur Lage der Nation versucht, sein vom Alter angekratztes Image zu korrigieren. Die Zahlen aber haben sich kaum erholt. Sie zeigen unter anderem: Afroamerikaner, die bisher als festes Bollwerk der Demokraten gegolten haben, wenden sich immer öfter ab.

Neuordnung der Wählerschaft?

Anzeichen für diesen Trend gibt es bereits seit den Wahlen 2016 und 2020. Schon seit geraumer Zeit wird über die Wählerbewegung auch theoretisch diskutiert. Wirklich in Fahrt gebracht hat die Debatte aber eine Umfrage des Instituts Gallup vom Februar. Sie ergab: In den Jahren von 2020 bis 2023 haben die Demokraten 19 Prozentpunkte ihres Vorsprungs in dieser Wählergruppe eingebüßt. Der Abstand ist immer noch groß, insgesamt neigen 66 Prozent der befragten Afroamerikaner den Demokraten zu, 19 Prozent den Republikanern. Doch in Swing States mit großer schwarzer Bevölkerung kann der neue Zustrom zu den Republikanern durchaus den entscheidenden Unterschied machen – etwa in Michigan oder Georgia, die Biden 2020 beide knapp gewinnen konnte.

Noch sind die "Blacks for Trump", die es auch 2020 schon gab, eine Minderheit. Allerdings hofft der republikanische Kandidat, vom Unmut über Präsident Biden zu profitieren.
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Seither wird in Amerikas politischen Zirkeln diskutiert: Stehen die USA vor einer großen Neuordnung der Wählerschaft? Der "New York Times"-Umfrage-Experte Nate Cohn ruft zur Vorsicht – er sieht vor allem enttäuschte schwarze Wählerinnen und Wähler, die statt zur Wahl zu gehen womöglich derzeit zu Hause bleiben würden, für Biden aber grundsätzlich auch im Herbst wieder zu gewinnen seien. Meinungsjournalist David French findet im gleichen Blatt, eine Neuordnung der Wählerschaft entlang ideologischer Fragen statt Gruppenidentität sei grundsätzlich erstrebenswert. "Washington Post"-Journalist Perry Bacon beurteilt die Umfragen noch skeptisch, während in London der "Financial Times"-Statistik-Journalist John Burn-Murdoch düstere Szenarien für die Demokraten entwirft. Er sieht vor allem junge schwarze Männer am endgültigen Absprung.

Erfolge im Leben nicht spürbar

Gemeinsam scheint all diesen Texten: Die statistischen Daten zeigen ebenso wie Reportageberichte eine deutliche Enttäuschung schwarzer Wähler über die Politik Joe Bidens – und auch über ihn selbst als Person. Dass Biden dabei viele seiner an schwarze Wählerinnen und Wähler gerichteten Versprechen erfüllt hat, hilft wenig. Ein Kabinett, das demografisch "so aussieht wie Amerika", eine schwarze Frau als Vizepräsidentin und eine weitere schwarze Frau am Supreme Court; viele Richterinnenposten, die mit Afroamerikanern besetzt wurden, und eine Wirtschaftspolitik, die sowohl in der Gesamtbevölkerung als auch besonders unter Afroamerikanern für Rekordbeschäftigung gesorgt hat – all das ist in Wirtschaftszahlen nachlesbar, und zugleich für die Menschen vor Ort offenbar nicht wirklich zu spüren. Die Folgen von Corona-Pandemie und Inflation, nämlich die steigenden Preise für viele tägliche Einkäufe, sind im täglichen Leben hingegen noch sehr präsent.

Und dann kommt noch ein weiterer Punkt dazu, auf den sowohl French als auch eine Auswertung der "Washington Post" hinweisen: Weil die Demokraten in den späten 1960er- und 1970er-Jahren die Bürgerrechtsbewegung weit stärker unterstützt haben als die Republikaner, fühlten sich viele schwarze Wähler der Partei bisher auch dann verbunden, wenn sie ideologisch einen ganz anderen Blick auf das Leben hatten. Das betrifft zwischen 15 und 20 Prozent aller schwarzen Wähler und Wählerinnen in den USA – und ihre Verbindung scheint nun immer schwächer zu werden: In der konservativen schwarzen Wählerschaft, die bisher trotz allem die Demokraten gewählt hatte, ist eine besonders deutliche Bewegung nach rechts, und damit zu Trump, zu sehen.

Ob diese Wähler am Ende wirklich bei Donald Trump landen, der immer wieder mit rassistischen Signalen an seine rechtsextreme Anhängerschaft auffällt, bleibt offen. Der Wahlkampf, so die Hoffnung der Demokraten, könnte für viele Wählerinnen und Wähler wieder Klarheit schaffen. Die Trump-Kampagne jedenfalls versucht zu profitieren: Unterstützer des Ex-Präsidenten verschickten zuletzt zunehmend KI-generierte Fake-Bilder, die ihren Kandidaten umringt von schwarzen Fans zeigen. (Manuel Escher, 3.4.2024)