Kabeaushé kommt aus Kenia
Kabeaushé kommt aus Kenia und verbindet einen wilden stilistischen Popmusik-Mix mit transformativer Performance.zum Donaufestival
Edwin Maina

In der populären Musik ist es seit ihrem Ursprung eine gängige Praxis, sich über die Abgrenzung zu definieren. Die Sache funktioniert vorzugsweise einseitig. Ausgeschlossen sein bedeutet, die eigene Position zu behaupten und mit ihr schließlich Anteilnahme und Zugehörigkeit zu behaupten. Sie schließen uns aus, wir wollen rein.

Das heurige Donaufestival verwendet diesbezüglich die gängige und spätestens seit Ziggy Stardusts Zeiten etablierte Begrifflichkeit des Aliens. Das keinesfalls außerirdisch definierte Fremde wird manifestiert, um eine wenn auch lose behauptete Zusammengehörigkeit zu schaffen. Deren Ausgang muss und soll offen bleiben. Innerhalb dieses Postulats bleiben die Ausgänge und Synergien also volatil, um ein Modewort zu bemühen.

Deshalb ist das heurige Festivalmotto Community of Aliens ebenso zeitlos wie zwingend. Speziell musikalisch bleibt man dem Prinzip der ausfransenden Ränder verpflichtet. Neben obligaten publikumsaffinen Headlinern wie The Jesus and Mary Chain oder Autechre, die beide vor gut 40 Jahren angetreten sind, um dieses Außenseitertum mit bewussten Regelbrüchen der Süßlichkeit von Popmusik mit kreischenden Gitarrenfeedbacks (19. 4.) oder der Harschheit irregeleiteter Computerprogramme zu begegnen (27. 4.), geht das Donaufestival deshalb bewusst und verstärkt an die Außenstellen globalisierter Popmusik. Afrika, der wundersame unbekannte Kontinent, bildet dabei einen Schwerpunkt.

Neben für Avantgardefestivals bestens tauglichen Abonnementgästen wie Künstlern und Künstlerinnen vom Wiener Label Ventil um Peter Kutin und Ursula Winterauer, diesmal als Doom-Metal-Band Eaeres vertreten (19. 4.), hört man heuer etwa kosmopolitische Klubmusik der tunesischen Produzentin Deena Abdelwahed, eine kenianische Mischung aus R’n’B und improvisierter Musik von Dawuna, den afrikanischen Dancehall-Act PÖ, die auf Yoruba und Englisch rappende westafrikanische Aunty Rayzor oder den aus Kenia kommenden queeren Prince-Wiedergänger Kabeaushé.

Einen weiteren Höhepunkt des Donaufestivals dürfte neben dem isländisch-australischen Produzenten Ben Frost, der heuer mit zwei Metal-Gitarristen ein Programm namens Scope Neglect präsentiert, das klingt wie Rage Against the Machine instrumental aus dem Proberaum (26. 4.), vor allem der Auftritt dreier älterer Herren der freien Musik aus Australien sein. The Necks, eine der besten Livebands der Welt, präsentieren ihr Album Travel – oder auch etwas ganz anderes.

Das altbewährte transatlantische Technoduo Dopplereffekt arbeitet sich laut Programmheft auch auf der neuen Arbeit Neurotelepathy an der künstlerischen Transgression ab, das man früher als versuchte Schnittstelle von Mensch und Maschine bezeichnete. Gehirn- und Datenströme sollen hier zum Abschluss des Donaufestivals im Viervierteltakt keine Unterschiede mehr erkennbar machen (28. 4.).

Sich textlich selbst zerfleischen

Dazu werden noch einige weitere Highlights angekündigt. Gemeinsam mit dem Solistenensemble Kaleidoskop gibt Gesangstragödin Anika alias Annika Henderson ihre Neufassung des legendären Albums Desertshore von 1970 der von The Velvet Underground bekannten Nico zum Besten (21. 4.). Der britische Produzent Evian Christ, der unter anderem schon für Kanye West produzierte, legt es auf Reizüberflutung im Zeichen von übersteuerter Duracell-Hasen-Ravemusik an (26. 4.).

Das erste Wochenende werden schließlich die sich textlich selbst zerfleischende norwegische Sängerin und Schriftstellerin Jenny Hval (I Want to Be a Machine), die elektronischen Exorzismus betreibende Britin Gazelle Twin, das kalifornische Hip-Hop-Trio Clipping. oder der Krautrock-Act Föllakzoid aus Chile bestreiten. (Christian Schachinger,29.3.2024)