Ein Mann mit Hut und einer Rassel in der Hand, der die Zunge herausstreckt und sich offenbar bester Gesundheit erfreut.
Ein Musiker bei einer Parade in Südafrika. In Afrika südlich der Sahara war der Anstieg der Lebenserwartung besonders hoch.
EPA/HALDEN KROG

Die Corona-Pandemie konnte einen starken globalen Anstieg der Lebenserwartung nicht aufhalten. Das ist das Ergebnis einer neuen Studie, die nun im Fachjournal "The Lancet" erschienen ist. Ziel war die Untersuchung der globalen Entwicklung der Lebenserwartung seit 1990. Dabei zeigte sich, dass die Menschen heute im Schnitt um 6,2 Jahre länger leben als noch vor etwa 30 Jahren.

Die Forschenden betrachteten regionale Unterschiede und die Gründe, die zu dieser Verbesserung geführt hatten. Die größten lokalen Fortschritte gab es in afrikanischen Ländern. In Ostafrika und Afrika südlich der Sahara stieg die Lebenserwartung bis 2021 um 10,7 Jahre. Auf größeren Skalen betrachtet gab es die größten Fortschritte in Asien und Ozeanien. In der gesamten Großregion von Südostasien, Ostasien und Ozeanien stieg die Lebenserwartung um 8,3 Jahre.

Weniger Krankheiten

Grund für den Effekt ist vor allem die erfolgreiche Bekämpfung von Krankheiten. In Afrika war es in erster Linie der Rückgang von Durchfallerkrankungen, der die Lebenserwartung steigen ließ. In Asien und Ozeanien war es der Rückgang von Atemwegserkrankungen, Schlaganfällen und Krebs, der sich am stärksten auswirkte.

Abgesehen von diesen Fortschritten auf großen Skalen gibt es starke lokale Effekte, die nun verstärkter Aufmerksamkeit bedürften, betonen die Forschenden. So stammten etwa 90 Prozent der Malaria-Toten aus der Region zwischen dem westlichen Subsahara-Afrika, Zentralafrika und Mosambik, in der zwölf Prozent der Weltbevölkerung leben.

"Unsere Studie zeichnet ein differenziertes Bild der weltweiten Gesundheit", sagt Studienautorin Liane Ong vom Institute for Health Metrics and Evaluation der Universität Washington. "Auf der einen Seite sehen wir die monumentalen Erfolge der Länder bei der Verhinderung von Todesfällen durch Durchfall und Schlaganfall. Gleichzeitig sehen wir, wie sehr uns die Covid-19-Pandemie zurückgeworfen hat."

Zwei Frauen stehen vor einem Wasserhahn, umgeben von zahlreichen Kunststoffkanistern.
Eine privat betriebene Wasserstelle in einem Slum in Nairobi in Kenia. Die Wasserqualität ist entscheidend, wenn es um das Risiko von Durchfallerkrankungen oder Cholera geht.
EPA/Daniel Irungu

Corona als Dämpfer

Die Auswirkungen der Corona-Pandemie sind in den Daten deutlich sichtbar. Zum ersten Mal seit 30 Jahren wurde die Reihung der fünf häufigsten Todesursachen über den Haufen geworfen. Covid-19 verdrängte zweitweise Schlaganfälle als zweithäufigste Todesursache weltweit. Am stärksten waren Lateinamerika, die Karibik und die Sub-Sahara-Region betroffen. In Letzterer gab es den größten Rückgang der Lebenserwartung im Zusammenhang mit Covid-19. In Asien wiederum hielt das rigide Corona-Management die Folgen in Grenzen.

Bereits im März hatte das Institute for Health Metrics and Evaluation im Fachjournal "The Lancet" eine Berechnung veröffentlicht, wonach die Lebenserwartung während der stärksten Jahre der Corona-Pandemie um 1,6 Jahre gesunken sei. Der Wert lag deutlich über bisherigen Schätzungen. Die Folgen seien damit schwerer "als alle anderen Ereignisse in einem halben Jahrhundert, darunter Konflikte und Naturkatastrophen", sagte Studienautor Austin Schumacher dazu. Ähnliches gilt für Europa. Hier war der Rückgang der Lebenserwartung laut einer Studie im Fachjournal "International Journal of Epidemiology" aus dem Jahr 2021 vor allem in Spanien, Italien, Belgien, England und Wales so stark wie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr.

Die Daten für die aktuelle Studie stammen aus Obduktionen, Volkszählungen und Krebsregistern aus 204 Ländern und Regionen sowie 811 subnationalen Quellen. Es handelt sich um einen heterogenen Datensatz aus über 50.000 Einzelquellen. Erstellt wurde die Arbeit von einer Kollaboration aus Autorinnen und Autoren des seit 1990 existierenden Forschungsprojekts Global Burden of Disease Study. Zahlreiche Forschende waren daran beteiligt, die Autorenliste nimmt in der Publikation stolze fünf Seiten ein. Dahinter steht das Institute for Health Metrics and Evaluation, das unter anderem von der Bill and Melinda Gates Foundation finanziert wird. Nach zwischenzeitlicher Kritik bezüglich der Transparenz der Methoden und Konflikten mit der Weltgesundheitsorganisation (WHO) in vergangenen Jahrzehnten hat sich die Global Burden of Disease Study als Quelle für globale Gesundheitsinformationen etabliert.

Die Global Burden of Disease Study veröffentlichte bereits in der Vergangenheit immer wieder Studien zur globalen Entwicklung der Lebenserwartung. In einer 2018 veröffentlichten Arbeit zeigte sich, dass zwischen 1950 und 2017 vor allem bei Kindern unter fünf Jahren die Sterblichkeit stark abgenommen hatte. Damals hatte sich aber eine Verlangsamung der positiven Entwicklung gezeigt.

Viel zu tun

"Wir wissen inzwischen, wie wir Kinder vor dem Tod durch Darminfektionen, einschließlich Durchfallerkrankungen, bewahren können, und die Fortschritte bei der Bekämpfung dieser Krankheiten sind enorm", sagt Studienautor Mohsen Naghavi. "Jetzt müssen wir uns auf die Vorbeugung und Behandlung dieser Krankheiten, die Stärkung und Ausweitung von Impfprogrammen und die Entwicklung neuer Impfstoffe gegen Escherichia coli, Noroviren und Shigellen konzentrieren." Auch nicht übertragbare Krankheiten wie Diabetes oder Nierenkrankheiten seien im Steigen und bedürften stärkerer Aufmerksamkeit.

Außerdem müssten die Maßnahmen, die zu einer Verringerung der Todesfälle durch Schlaganfall und Herzerkrankungen geführt haben, in allen Ländern verfügbar werden und nicht nur in jenen mit großen Ressourcen, fordert das Team. (Reinhard Kleindl, 4.4.2024)