Go-Filiale in Seattle
DER STANDARD hat das System bereits 2018 in Seattle ausprobiert. Schon damals gab es Bedenken.
Andreas Proschofsky / DER STANDARD

Überwachung mit Kameras und Sensoren, um nicht mehr an der Kassa anstehen zu müssen: Das war das Konzept von Amazons Just-Walk-Out-Technologie, die das Unternehmen in seinen Fresh-Supermärkten eingeführt hatte. Nun wird das System abgedreht, wie das Fachmedium "The Information" berichtet.

Einzelne Filialen in Großbritannien sollen das System weiter verwenden. Von einem Konkurrenten namens Zabka werden außerdem ähnliche Systeme in Polen betrieben.

1.000 Mitarbeiter statt einem an der Kassa

Probleme hatte es mit Just Walk Out viele gegeben. Eines davon ist, dass die propagierte Automatisierung keine ist. Denn während es in den Läden selbst kein Personal an der Kassa gibt, sind über 1.000 Menschen in Indien damit beschäftigt, Kamera-Feeds zu überwachen, um korrekte Abläufe zu gewährleisten. Im Jahr 2022 erforderten 70 Prozent der Käufe mit Just Walk Out eine menschliche Überprüfung, Amazon hatte unter 50 Prozent als Zielwert angegeben.

Hohe Kosten, verärgerte Kunden

Hinzu kommen zahlreiche andere Probleme. Zum Beispiel, dass die verwendete Technologie sehr teuer ist, weshalb Just Walk Out nur in der Hälfte der US-amerikanischen Fresh-Stores eingesetzt wurde.

Ebendiese Technologie wollte Amazon auch an andere Unternehmen vertreiben, Partner fanden sich laut einem Bericht von "Engadget" aber wenige. Starbucks setzte das System an ein paar Standorten ein, ein kleines Projekt gab es mit Krankenhäusern, der große Ansturm blieb aber aus.

Das liegt erstens daran, dass das System gewisse bauliche Voraussetzungen – etwa hohe Wände – erfordert. Zweitens sehen viele Händler Amazon als einen Konkurrenten, und mit einem solchen will man keine Partnerschaft eingehen.

Und drittens dürften Amazons eigene Geschäfte nicht unbedingt als gute Referenzen gedient haben. Neben den bereits erwähnten hohen Kosten wird auch von unzufriedenen Kunden berichtet, die ihre Belege erst ein paar Stunden nach dem Kauf erhalten haben oder deren Einkäufe komplett falsch dokumentiert wurden.

Datenschutz-Albtraum

Vor allem sorgte aber das Thema Datenschutz für Unmut. So erfassen die Kameras und Sensoren den Medienberichten zufolge diverse biometrische Daten, darunter Größe und Statur des menschlichen Körpers, um die Kunden zu identifizieren und zu tracken.

Dies hatte in New York zu einer Sammelklage gegen Amazon geführt, in welcher dem Unternehmen vorgeworfen wird, biometrische Daten zu sammeln, ohne dies den Kunden angemessen mitzuteilen. Demnach verstößt Amazon gegen das Gesetz zur biometrischen Identifizierung (Biometric Identifier Information Law) des Bundesstaates, laut welchem Kundinnen und Kunden entsprechend informiert werden müssen.

"Amazon schuldet seinen Kunden vor Betreten des Geschäfts eine Erklärung dazu, wie die Systeme betrieben werden – sodass die Menschen entscheiden können, ob sie Daten zu ihrer Körpergröße teilen möchten, um ein Sandwich zu kaufen", wird Peter Romer-Friedman, ein Anwalt der Kläger, von der "Seattle Times" zitiert.

Smarte Einkaufswagen

Laut Amazon ist das Abdrehen der automatisierten Systeme Teil einer umfassenden Erneuerung des Einzelhandelsgeschäfts. So soll stattdessen nun eine Technologie namens Dash Cart zum Einsatz kommen. Dabei handelt es sich um "smarte Einkaufswagen", in die sich Kunden einloggen, indem sie einen QR-Code auf ihrem Smartphone scannen.

Anschließend scannen sie die Produkte selbst im Einkaufswagen und erhalten "Vorschläge für Produkte in der Nähe, um einfach zu finden, was sie brauchen". Der Einkaufswagen enthält außerdem eine Waage zum Abwiegen von Obst und Gemüse. Die Kosten des aktuellen Einkaufs werden live addiert, Kundenbindungsprogramme synchronisiert. Durch diese Features soll es mit dem smarten Einkaufswagen schließlich möglich sein, die Warteschlange an der Kassa zu vermeiden. (stm, 3.4.2024)