Aktionskünstler Flatz bei den Proben zu seinem Stück
Aktionskünstler Flatz bei den Proben zu seinem Stück "Perlenrede", mit dem er am Burgtheater debütiert.
APA/EVA MANHART

"Ich gebe dich der braunen Brut in Wien als mein Abschiedsgeschenk", soll Martin Kušej zum Aktionskünstler Flatz beim Engagement-Gespräch gesagt haben. Nun ist es so weit. Am Samstag geht ab 18 Uhr die 36-stündige, aus Installation, Ausstellung und Aufführung bestehende einmalige Aktion des bekannten Vorarlberger Künstlers über die Bühne. Dafür bietet der kürzlich mit der Versteigerung seiner tätowierten Haut durch die Medien gegangene 72-Jährige Radikales auf.

Ausgangspunkt ist Hitlers sogenannte Perlenrede von 1938, die dieser kurz vor der Volksabstimmung auf einem provisorischen Holzbalkon des Wiener Rathauses vor einer jubelnden Menge von 120.000 Menschen gehalten hat. Sie ist bis auf wenige Sekunden filmisch nicht dokumentiert. Perle? Die Benennung der Rede geht auf Hitlers Beschreibung der Stadt Wien als Perle zurück: "Diese Stadt ist in meinen Augen eine Perle – ich werde sie in jene Fassung bringen, die dieser Perle würdig ist."

Burgtheater Wien

Flatz (bürgerlich Wolfgang Flatz) errichtet nun in seiner Aktion, die bereits im Vorjahr zum 85. Jahrestag der Rede hätte stattfinden sollen, den Balkon neu auf der Frontseite des dem Rathaus gegenüberliegenden Burgtheaters. Hier wird beginnend mit einem Zapfenstreich um 18 Uhr (mit Ich hatt' einen Kameraden und Junge, komm bald wieder) 36 Stunden lang im Loop eine aus drei Gesten bestehende Hitler-Projektion in Person Bibiana Beglaus laufen. Rundherum wird Österreichs Staatstheater feierlich beflaggt sein wie einst, allerdings nach Flatz-Art.

Hitler, ein Hundeleben

Anstelle des Hakenkreuzes befindet sich ein Hundekopf in der Mitte der roten Fahnen, bezugnehmend auf Flatz' Animal Sculpture-Projekt mit seiner eigenen Dogge namens Hitler (sic!). Die im Buch Hitler. Ein Hundeleben dokumentierte Bilderserie – sie liegt in der Edition Cantz in einer Neuauflage vor –, ist als Ausstellung erstmals in Österreich zu sehen und wird ebenfalls am Samstag im Anschluss an die Enthüllung der Installation im zweiten Pausenfoyer des Burgtheaters von Martin Kušej persönlich eröffnet.

Fotomontage zur Beflaggung des Burgtheaters anlässlich des Theaterstücks
Fotomontage zur Beflaggung des Burgtheaters anlässlich des Theaterstücks "Perlenrede" des Künstlers Flatz.
Atelier FLATZ 2023

Flatz, dem derzeit (bis 5. Mai) eine Retrospektive in der Pinakothek der Moderne in München gewidmet ist, pervertiert faschistische Masseninszenierungen. Das hat Neonazis schon in den 1990er-Jahren zu Morddrohungen gereizt, die damals den Anrufbeantworter des unerschrockenen Künstlers und Musikers überquellen ließen, wie er im Gespräch sagt.

Theaterdebüt

Einige seiner Performances aus den letzten Jahrzehnten finden am Samstag in die Aufführung auf der Burgtheaterbühne (20 Uhr) Eingang. Darunter befinden sich vertonte Gedichte und Lieder wie Mama (1997/2023), Hitler (1997), Deutschen, die (2000) oder die Stahlglocken-Performance aus der Demontage-Serie, bei der Flatz 1990 in der zerstörten Synagoge von Tiflis als lebender Klöppel kopfüber zwischen zwei Stahlplatten pendelte und so metallischen Klang erzeugte, dazu spielte es Johann Strauß' Kaiserwalzer.

Nun gibt Flatz also sein Theaterdebüt. Kern der Aufführung ist denn ein von ihm neu geschriebener Dialog zwischen den allegorischen Figuren Relith (Hitler), Krieg und Tod. Auch die Rede des 1938 amtierenden Bürgermeisters Hermann Neubacher steht im Fokus. Sie sei erschreckender als jene Hitlers, so Flatz. "Da zieht es Ihnen wirklich die Schuhe aus". (Margarete Affenzeller, 5.4.2024)