Immer wenn die Spitzen der Geheimdienste Israels oder der USA zu den Verhandlungen über eine Waffenruhe und eine Freilassung der Geiseln der Hamas stoßen, sorgt das für besondere Aufmerksamkeit: Dann ist das Heft plötzlich nicht mehr in den Händen von Emissären, sondern der Chefs selbst. So war es dann auch keine besondere Überraschung, als am Sonntag CIA-Direktor William Burns in Kairo einen Plan vorlegte, über den das New Yorker "Wall Street Journal" berichtete, vor allem aber auch der stets topinformierte israelische Journalist Barak David von "Axios". Burns' Gesprächspartner waren u. a. sein israelischer Amtskollege vom Mossad, David Barnea, sowie der Premierminister von Katar und der ägyptische Geheimdienstchef. Die Hamas war nicht direkt in die Gespräche involviert: Wie schon bei anderen Verhandlungsrunden hielt sich aber eine hochrangige Delegation zu der gleichen Zeit in Kairo auf und sprach mit den ägyptischen und katarischen Vermittlern, die zwischen den Streitparteien hin und her wechselten.

CIA-Chef William Burns übte in Kairo
CIA-Chef William Burns übte in Kairo "hilfreichen Druck" sowohl auf die Hamas als auch auf Israel aus.
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Aktueller Stand der Verhandlungen ist demnach ein Plan, demzufolge die Hamas im Verlauf einer Waffenruhe – diese soll sechs Wochen dauern und wäre somit die längste seit dem Überfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 – 40 Geiseln freilassen soll. Bisher befinden sich noch mehr als 100 Personen im Gazastreifen in der Gewalt der palästinensischen Terrorgruppe, über ihren Zustand wissen höchstens die Geheimdienste Bescheid, wenn überhaupt. Als "Gegenleistung" wäre demnach die Freilassung von 900 in Israel inhaftierten Palästinensern und Palästinenserinnen vorgesehen – unter ihnen rund 100 Personen, die wegen der Ermordung von Israelis zu lebenslangen Haftstrafen verurteilt worden waren. Ein stark divergentes Zahlenverhältnis zwischen freizulassenden Israelis und Palästinensern hatte es schon in der Vergangenheit immer wieder gegeben.

Der vorgeschlagene Deal ist an sich nicht neu und wurde schon im vergangenen März verhandelt. In dieser Runde aber habe CIA-Chef Burns von beiden Parteien – Israel und Hamas – zusätzliche Zugeständnisse eingefordert. Die Hamas müsse sich auf einen Kompromiss zu Anzahl und Identität der freizulassenden Palästinenser und Palästinenserinnen einlassen. Außerdem müsse sie vorab eine verbindliche und zuverlässige Liste von 40 noch lebenden israelischen Geiseln vorlegen, die sie im Gegenzug freilassen kann. Israel hingegen müsse sich von den eigenen, rigiden Maximalvorstellungen verabschieden, was die Rückkehr vertriebener palästinensischer Zivilisten in den nördlichen Gazastreifen betrifft. Aber diese liegt ja ohnehin in unbekannt ferner Zukunft.

"Hilfreicher Druck"

Was die laut US-Vorschlag freizulassenden israelischen Geiseln betrifft, so besteht ein weiter zu definierender bzw. zu überarbeitender Fokus auf Frauen, Soldatinnen, Männern über 50 Jahre – aber auch auf Männern unter 50 Jahren mit schweren medizinischen Problemen. Bei der Rückkehr von Menschen in den nördlichen Gazastreifen habe sich Israel, so berichtet es "Axios", gesprächsbereit gezeigt, wenn die Verhandlungskomponente "Geiseln" vorab geklärt sei. Der US-Vorschlag sieht einen schrittweisen und fast vollständigen Rückzug Israels aus dem Korridor vor, der den Gazastreifen teilt und die Palästinenser an einer Rückkehr in den Norden hindert.

Brachte die neueste Intervention der USA etwas für den Verhandlungsfortschritt? Der katarische Außenamtssprecher Majed Al-Ansari äußerte sich gegenüber "Axios" jedenfalls positiv: "Der Druck der USA war sehr hilfreich (...), ich kann sagen, dass er die Kluft auf eine Weise überbrückt, wie es in den letzten Monaten nicht der Fall war."

Der Ball liegt dem Vernahmen nach nun bei der Hamas – zumindest aus Sicht der USA. Der Sprecher des Weißen Hauses, John Kirby, sagte: "Wir warten auf die Antwort von Hamas-Führer Yahya Sinwar. Das kann ein paar Tage dauern." Israels Parlament wollte sich jedenfalls am Dienstag mit dem US-Vorschlag auseinandersetzen. (Gianluca Wallisch, 9.4.2024)