Julian Assange. 
Seit genau fünf Jahren sitzt Julian Assange in einem Hochsicherheitsgefängnis in London fest.
AFP/DANIEL LEAL

Die USA verzichten möglicherweise auf eine Strafverfolgung des Wikileaks-Gründers Julian Assange wegen Geheimnisverrats. US-Präsident Joe Biden sagte am Mittwoch auf die Frage eines Reporters zur australischen Forderung nach einem Ende der Fahndung: "Wir ziehen es in Erwägung." Der Anwalt von Assange wertete die Äußerungen des US-Präsidenten als sehr ermutigend.

Die USA werfen Assange vor, auf seiner Enthüllungsplattform Wikileaks seien vertrauliche Dokumente veröffentlicht worden. Sie fordern deswegen von Großbritannien die Auslieferung des 52-Jährigen. US-Staatsanwälte wollen Assange wegen der Veröffentlichung vertraulicher Unterlagen des US-Militärs wegen Spionage anklagen.

Die britische Regierung hat grünes Licht für seine Auslieferung gegeben. Diese hat allerdings der Londoner High Court vergangenen Monat vorerst auf Ansuchen von Assange gestoppt. Der Australier müsse sich auf das US-Verfassungsrecht zur Meinungsfreiheit berufen dürfen, auch dürfe er nicht als Ausländer diskriminiert werden, urteilte das Gericht. Vor allem aber müsse sichergestellt sein, dass ihm nicht die Todesstrafe droht. Wenn Washington nicht entsprechende Zusicherungen erbringt, darf Assange noch einmal gegen seine Auslieferung berufen.

Der Aufdecker Assange, der mutmaßliche US-Kriegsverbrechen ans Licht gebracht hat, gilt wegen seiner Methoden – der regelmäßigen Veröffentlichung ungeschwärzter Geheimdokumente – als umstritten. So gilt er unter Unterstützern als Kämpfer für die radikale Transparenz. Kritiker sehen einen verantwortungslosen Umgang mit vertraulichen Informationen, der feindlich gesinnten Geheimdiensten in die Hände spielen kann und Menschen gefährdet.

Fünf Jahre in Belmarsh

Assange wurde 2010 in Großbritannien im Zusammenhang mit inzwischen eingestellten Ermittlungen wegen eines Sexualdelikts in Schweden festgenommen. Kurz vor seiner Auslieferung nach Schweden suchte er Asyl in der Londoner Botschaft von Ecuador, wo er sich sieben Jahre lang verschanzte. Assange fürchtete nach eigenen Angaben eine Auslieferung über Schweden in die USA.

Als Ecuador Assange nach sieben Jahren den Asylstatus entzog, wurde er 2019 unter dem Vorwurf des Verstoßes gegen Kautionsbedingungen in London inhaftiert. Indes machten die USA ihre Anklageschrift gegen Assange publik: eine lange Liste von schwerwiegenden Spionagevorwürfen, die mit einer Haftstrafe von bis zu 175 Jahren einhergehen. Wegen des US-Auslieferungsgesuchs sitzt er seitdem – es sind auf den Tag genau fünf Jahre – in dem Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh in London, großteils in Isolationshaft.

Australien findet Aussagen Bidens "ermutigend"

Die australische Regierung hat Bidens Aussagen begrüßt. Premierminister Anthony Albanese nannte die Äußerung am Donnerstag "ermutigend". Er sei der festen Überzeugung, dass die Inhaftierung Assanges nichts bringe und zu einem Abschluss gebracht werden müsse, betonte Albanese. Diese Position der australischen Regierung habe er auch ganz deutlich gemacht. "Mr. Assange hat bereits einen erheblichen Preis bezahlt – und genug ist genug."

Albanese hat sich seit seinem Amtsantritt vor zwei Jahren immer wieder für eine Freilassung Assanges eingesetzt. Bei einem Staatsbesuch in den USA hatte er Biden im vergangenen Oktober nach eigenen Angaben direkt auf seine Besorgnis um den Landsmann angesprochen.

Vor wenigen Wochen berichtete bereits die "Washington Post" unter Berufung auf US-Justizbeamte, dass die USA einen Deal in Betracht ziehen, der zur Freilassung Assanges führen könnte. Weder die USA noch Assanges Anwaltsteam haben das bisher bestätigt.

Amnesty International fordert Freilassung

Zudem fordert auch die Menschenrechtsorganisation Amnesty International die Freilassung von Assange. "Julian Assange hat es gewagt, Enthüllungen über mutmaßliche Kriegsverbrechen der USA ans Licht zu bringen. Es ist inakzeptabel, dass ihm Jahre seines Lebens gestohlen wurden", teilte Generalsekretärin Agnès Callamard am Donnerstag mit.

Sollte Assange in die USA ausgeliefert werden, drohe ihm schwerwiegende Misshandlung, darunter längere Einzelhaft, warnte Amnesty. Zweifelhafte diplomatische Zusicherungen der USA seien das Papier nicht wert, auf denen sie festgehalten worden seien, weil sie nicht rechtlich bindend und mit Schlupflöchern versehen seien. Die Organisation warnte vor einem katastrophalen Präzedenzfall für die weltweite Medienfreiheit. Die USA müssten alle Vorwürfe gegen Assange fallen lassen, forderte Amnesty. (fmo, Reuters, APA, 11.4.2024)