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Die Wahrscheinlichkeit für eine einstimmige Änderung der EU-Verträge ist gering.
REUTERS/Johanna Geron

Brüssel – Das EU-Parlament hat sich für die Aufnahme eines Rechts auf Abtreibung in die Europäische Grundrechte-Charta ausgesprochen, wie Kathpress berichtet. 336 Abgeordnete stimmten am Donnerstag in Brüssel für eine entsprechende Entschließung, 163 dagegen, 39 enthielten sich. Das Vorhaben knüpft an frühere Initiativen an. Unter anderem hatte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron zu Beginn der französischen EU-Ratspräsidentschaft im Jänner 2022 Entsprechendes angekündigt.

Mit der Resolution rufen die Abgeordneten die EU-Mitgliedsstaaten auf, das Recht auf körperliche Selbstbestimmung und auf freien, informierten, umfassenden und allgemeinen Zugang zu sexueller und reproduktiver Gesundheit einschließlich sicherer und legaler Abtreibungen in die im Jahr 2000 angenommene Charta der Grundrechte der Europäischen Union einzufügen. Dafür wäre eine einstimmige Änderung der EU-Verträge nötig. Die Wahrscheinlichkeit dafür ist gering.

Außerdem appelliert die Resolution an die EU-Staaten, Abtreibung in Übereinstimmung mit den WHO-Richtlinien von 2022 vollständig zu entkriminalisieren und Hindernisse für sichere und legale Abtreibungen zu beseitigen. Insbesondere richteten die Abgeordneten einen dringenden Appell an Polen und Malta, ihre einschränkenden Gesetze aufzuheben. Frankreich dagegen hatte Anfang März als erstes EU-Land das Recht auf Abtreibung in seiner Verfassung verankert.

Gegenentwurf setzte sich nicht durch

Eingebracht wurde der Vorschlag von Abgeordneten der Sozialdemokraten, Liberalen, Grünen und Linken sowie einigen schwedischen Parlamentariern, die zur konservativ-christdemokratischen Gruppe der Europäischen Volkspartei (EVP) gehören. Ein Gegenentwurf der EVP, der auf die Zuständigkeit der einzelnen Mitgliedsstaaten in der Abtreibungsfrage verweist und mehr Unterstützung für Schwangere und Mütter verlangt, konnte sich nicht durchsetzen.

Die Vizepräsidentin des EU-Parlaments, Evelyn Regner (SPÖ), freute sich in einer Stellungnahme über das Abstimmungsergebnis. "Der Zugang zu Abtreibung ist ein Menschenrecht und muss auch als solches behandelt werden. Wir müssen endlich unser gesellschaftliches Verständnis dahingehend schärfen, dass sexuelle und reproduktive Rechte als Frauenrechte und somit als Menschenrechte zu betrachten sind", so Regner. "Daher gehört das Recht auf Abtreibung auch in die EU-Grundrechtecharta und nicht ins Strafgesetzbuch." Sie lobte dabei die Entscheidung Frankreichs, das Recht auf Abtreibung in die Verfassung aufzunehmen, und forderte "eine radikale Verbesserung der Frauenrechte" auch in Österreich.

Die Interessenvertretung der katholischen Bischöfe in Brüssel hatte den Vorstoß der Parlamentarier im Voraus kritisiert. Das Recht auf Leben sei der Grundpfeiler aller anderen Menschenrechte, erklärte die Kommission der Bischofskonferenzen am Dienstag. Eine Erleichterung der Abtreibung gehe zudem in eine "entgegengesetzte Richtung zur wirklichen Förderung der Frauen und ihrer Rechte". (APA, 11.4.2024)