Bundeskanzler Karl Nehammer (rechts) begrüßte am Freitag EU-Ratspräsident Charles Michel und andere EU-Regierungschefs in Wien.
Bundeskanzler Karl Nehammer (rechts) begrüßte am Freitag EU-Ratspräsident Charles Michel und andere EU-Regierungschefs in Wien.
AP/Heinz-Peter Bader

Die Bedrohung der Demokratie in Europa durch russische Propaganda wird EU-weit zu einem großen Thema. Zwei Monate vor den Europawahlen Anfang Juni werden immer mehr Versuche des Kreml aufgedeckt, Behörden, EU-Institutionen und Politiker für antieuropäische Propaganda zu unterwandern.

Mitte nächster Woche werden sich die 27 Staats- und Regierungschefs der Union in Brüssel zu einem Sondergipfel treffen. An sich sollte dort die vor einem Jahr vereinbarte "Strategische Agenda" im Zentrum stehen – eine Wirtschaftsdebatte darüber, wie die Europäer im globalen Konzert ihre Wettbewerbsfähigkeit erhöhen können. Um das vorzubereiten, kamen am Freitag der Ständige Ratspräsident Charles Michel und fünf Regierungschefs und -chefinnen nach Wien: aus Dänemark, Malta, der Slowakei, Zypern und Slowenien. Gemeinsam mit Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) berieten sie sich im Bundeskanzleramt.

Aber schon im Vorfeld zeichnet sich ab, dass die EU-Spitzen nächste Woche ausführlich zu Russland und zur Lage im Krieg in der Ukraine reden werden. "Wir brauchen auf europäischer Ebene mehr Instrumente zur Bekämpfung der russischen Propaganda", sagte der belgische Premierminister Alexander De Croo am Freitag. Er ist derzeit EU-Ratsvorsitzender und für die Abarbeitung der gemeinsamen Agenda auf EU-Ministerebene zuständig.

Propaganda im EU-Parlament

De Croo will diese Fragen auf die Tagesordnung des EU-Gipfels bringen. Er werde das Michel vorschlagen, sagte er. Denn, so der belgische Premier: Es sei das Ziel Moskaus, mehr prorussische Kandidaten ins Europäische Parlament wählen zu lassen, um die europäische Politik negativ zu beeinflussen. Dieser Bedrohung müsse entgegengetreten werden.

Hintergrund sind vermehrt aufgedeckte Fälle wie die Enttarnung des Propagandasenders Voice of Europe in Tschechien. Dieser soll nach Erkenntnissen tschechischer Dienste Politiker aus mehreren EU-Staaten für moskaufreundliche Interviews bezahlt haben.

Beim "Minigipfel" in Wien sollte es unter anderem aber auch darum gehen, wie die EU in Zukunft ihre bisherigen ambitionierten Umwelt- und Klimaschutzziele beibehalten soll, ohne dass die schwächelnde Wirtschaft und die Konjunktur dabei leidet. Der "Green Deal" war das Herzstück im Arbeitsprogramm der EU-Kommission. Wie es in der Legislaturperiode bis 2029 weitergeht, hängt nicht zuletzt von den EU-Wahlen ab.

Österreich gegen irreguläre Migration

Kanzler Nehammer brachte als Priorität Österreichs den Kampf gegen irreguläre Migration und für eine generelle Stärkung der Wirtschaft ein. Nur wenn es gelinge, zu zeigen, dass die Gemeinschaft bei unkontrollierter Zuwanderung nicht ohnmächtig zuschaue, sondern eine restriktive Migrationspolitik mache, werde mehr Sicherheit geschaffen, hieß es in Wien. Für die Wirtschaft müsse es wieder mehr Freiräume, weniger Verbote geben.

Das Beispiel E-Autos zeigt, wie verletzbar Teile der europäischen Industrie beim Umbau sind. Weil China den Markt mit wesentlich billiger produzierten Elektrofahrzeugen zu überschwemmen droht und Europas Autobauer nicht mithalten können, will die EU-Kommission mit Gegenmaßnahmen kontern. Zölle und zu hohe Preise stehen aber in Widerspruch zum allgemeinen EU-Ziel, die Autoflotten in den Mitgliedsstaaten so rasch wie möglich auf umweltfreundliche Fahrzeuge umzustellen. Umweltorganisationen warnten deshalb davor, die Themen Umwelt und Klima auf europäischer Ebene zu vernachlässigen.

Auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Nehammer nannte am Freitagabend auch Ratspräsident Charles Michel wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit sowie Migrationspolitik als zentrale Themen der bevorstehenden Gespräche. Eine weitere Priorität sieht er in der Sicherheitspolitik und dem Ausbau der Verteidigungsbereitschaft. (Thomas Mayer, 12.4.2024)