Rauch über Al-Mughayyir.
Feuer nach einem Siedlerangriff im palästinensischen Dorf Al-Mughayyir.
AP/Nasser Nasser

Im Schatten des abgewehrten iranischen Vergeltungsschlags brodelt es derzeit auch im von Israel besetzten Westjordanland gewaltig. Im Zentrum der jüngsten Auseinandersetzung zwischen Siedlern und Einheimischen steht die brutale Ermordung eines jüdischen Teenagers nordöstlich von Ramallah – mutmaßlich durch militante Palästinenser.

Die Armee sprach am Samstag von einem "Terrorakt", nach den Verantwortlichen wird noch gefahndet. Doch bewaffnete israelische Siedler haben die Dinge längst selbst in die Hand genommen und üben seit dem Verschwinden des jungen Benjamin A. in mehreren Dörfern ungezügelt Selbstjustiz.

Am Wochenende blockierten sie Straßen, zündeten dutzende Häuser und Fahrzeuge an und schossen bei Zusammenstößen mit scharfer Munition. Nach palästinensischen Angaben erlag dabei der 17-jährige Teenager Omar H. seinen Wunden, 25 weitere Palästinenser wurden verletzt. Auch ein israelischer Pressefotograf der Zeitung "ynet" wurde durch Siedler schwer verletzt, seine Kamera samt den darauf gespeicherten Aufnahmen wurde zerstört.

Galant erinnert an Rechtsstaat

Premier Benjamin Netanjahu, der Vertreter der radikalen Siedler in die Regierung geholt hat, und Verteidigungsminister Joaw Galant, sahen sich zu Aufrufen an die Siedler veranlasst, die Arbeit der Sicherheitskräfte nicht zu behindern. "Das Gesetz darf nicht in die eigenen Hände genommen werden", mahnte Galant unmissverständlich. Sie verurteilten das "verabscheuungswürdige Verbrechen" und versprachen, dass die "abscheulichen Mörder" und ihre Helfer vor Gericht landen würden. Die rechtsextremen Minister des Kriegskabinetts, Bezalel Smotrich und Itamar Ben-Gvir, warben dagegen für mehr Unterstützung für die Siedlerbewegung und die Todesstrafe.

Der 14-jährige Benjamin A. war am Freitagmorgen von der 2015 auf palästinensischem Privatgrund errichteten Siedlung Malachei Hashalom mit seinen Schafen losgegangen und nicht mehr wiedergekommen. Mit einem Großaufgebot von Armee und Polizei wurde nach dem Teenager gesucht. Auch Siedler schlossen sich an, woraufhin die gewaltsamen Zusammenstöße im Nachbardorf begannen; die palästinensischen Dorfbewohner wehrten sich mit Steinwürfen. Am Samstag meldete die Armee den Fund des mit zahlreichen Stichwunden versehrten Leichnams. In der Nähe des Fundorts griff ein Mob von Siedlern zwei weitere Dörfer an.

Landraub schreitet voran

Der palästinensische Ministerpräsident Mohammed Mustafa verurteilte die Siedlerangriffe: Sie "werden unser Volk nicht davon abhalten, auf ihr Land zu bestehen". Die Terrormiliz Hamas rief Palästinenser im Westjordanland dagegen zum Kampf gegen die "Siedlermilizen" auf.

Im Umland von Malachei Hashalom befinden sich eine Reihe illegaler Siedlungen, deren Bewohner immer wieder mit der lokalen Bevölkerung zusammenstoßen. Infolge des Gazakrieges hat die Gewalt im Westjordanland massiv zugenommen. Dennoch hat die israelische Regierung im März dort wieder 800 Hektar besetztes Land für den Siedlungsbau ausgewiesen. Sie verstößt damit gegen Völkerrecht. (Flora Mory, 14.4.2024)