Lisa Schrammel als Maria Stuart besticht durch stimmliche Opulenz und ins Stück eingebaute deftige Schimpfworte.
Lisa Schrammel als Maria Stuart besticht durch stimmliche Opulenz und ins Stück eingebaute deftige Schimpfworte.
Anna Stöcher

Manche lasen das gelbe Reclam-Buch in der Schule, andere kamen mit Friedrich Schillers Drama Maria Stuart bei einer Theaterinszenierung in Erstkontakt. Derer gibt es derzeit viele. Im Landestheater Linz wird das Stück um die Königin Schottlands, die nach angeblichem Auftragsmord an ihrem Gatten zur englischen Königin Elisabeth I. flieht und schließlich hingerichtet wird, zum Musical. Martin Kušej setzt im Burgtheater auf nackte Komparsen.

Auch Gernot Plass konnte sich dem Reiz des jahrhundertealten Stücks nicht verwehren und brachte am Samstagabend Maria Stuart auf die Bühne des TAG (Theater an der Gumpendorfer Straße). Darin stützte sich der künstlerische Leiter des Theaters auf Komik und Vulgärsprache in rauen Mengen, blieb bei Handlung und Figurenkonstellation allerdings klassisch. Man sieht Elisabeth (Michaela Kaspar) als resolute Herrscherin, die vor einer schweren Entscheidung steht: Entweder riskiert sie durch den Mord an ihrer Cousine ein schlechtes Image, oder sie muss im Umkehrschluss um Thron und Leben fürchten, da Maria (Lisa Schrammel) die englische Krone für sich reklamiert und im Verdacht steht, in Anschläge gegen die Amtsinhabende verwickelt zu sein.

Ein Netz aus Intrigen

Das Netz aus Intrigen breitet Plass überzeugend aus: Mortimer (Raphael Nicholas), der von Elisabeth das Tötungskommando erhält, will die Schottin in Wirklichkeit befreien und mimt den listigen Spion. Auch der wankelmütige Leicester (Markus Hamele), der amourös mit der Kronenträgerin verstrickt ist, hegt Gefühle für Maria. "Wie kann bei all den Doppelnullen in diesem Spiel ich noch den Überblick bewahren (…)?", klagt da Elisabeth – ohne Anspielungen auf James Bond kommt der royale Thriller bei Plass nicht aus. Zusätzlichen Druck verübt Burley (Jens Claßen), der die Rolle des empathielosen Beraters hervorragend verkörpert und zur Ermordung Marias drängt.

Das Stück wurde nach den Regeln des Minimalismus ausstaffiert (Alexandra Burgstaller): Ein weißer Sessel fungiert als Thron, die rot gestrichene Bühne wechselt durch einen Drehmechanismus ihr Gesicht, ist aber ansonsten keine Offenbarung. Dafür punktet das Stück mit stimmlicher Opulenz: Bei ihrem Aufeinandertreffen stürzen sich Schrammel und Kaspar aufeinander, wobei Beschimpfungen wie "Dorfmatratze" und "Scheißkuh" ebenso durch die Luft fliegen wie wallendes Haar. Eigentlicher Höhepunkt ist aber Schrammels nahezu wahnhaftes Spiel, bei dem sie kurz vor ihrer Hinrichtung in Jekyll-und-Hyde-Manier ihre Sünden gesteht.

Plass' Versuch einer zeitgemäßen Neuadaption gelingt, auch wenn das Aufgebot an Schimpfworten im eher altertümlichen Text etwas fehl am Platz wirkt. Aktuell ist das Königinnendrama nach wie vor: Wie Schiller spielt auch Plass zwei Frauen in Machtpositionen gegeneinander aus – ganz nach dem Motto: Es kann nur eine an der Spitze geben. Die Einsamkeit, der die beiden begegnen, ist spürbar. Maria wird als Hure und Hexe verleumdet. Elisabeth empfindet sich in ihrer Rolle als zu weich, um sich in der männlich dominierten Welt zu behaupten. (Patricia Kornfeld, 15.4.2024)