Auf einem Computerbildschirm sieht man verschiedene Grafiken, Balken und Diagramme
Die Aussichten für Anleihen haben sich zuletzt verbessert. Das spiegelt sich auch in der Nachfrage wider.
Javier De La Torre via www.imago

Die massiv gestiegenen Leitzinsen freuen Konsumenten eher wenig. Haben sich doch Kredite – und hier vor allem die variabel verzinsten – rasch enorm verteuert. Die hohen Finanzierungskosten schlagen zudem in der Wirtschaftswelt an vielen Fronten auf – und werden teils an die Konsumenten weitergegeben.

Lewis Aubrey Johnson hingegen freut das aktuelle Umfeld. Denn die hohen Zinsen haben eine Assetklasse zurückgebracht, die aufgrund der Nullzinspolitik bisher wenig im Interesse der Anleger stand. "Anleihen sind zurück", sagt der Head of Fixed Income Products bei Invesco überzeugend. Zehn Jahre ohne Interesse an Anleihen seien zu Ende gegangen. Durch das Nullzinsumfeld habe es kein wirkliches Pricing für Risiko gegeben. Rückblickend spricht der Anleihenexperte vom schlechtesten Anleihenumfeld seit Jahren. "Jetzt können wir wieder unsere Arbeit machen und Risiken und Chancen abwägen", sagt Aubrey-Johnson.

Besonders im Interesse von Aubrey-Johnson und Anlegern steht derzeit wieder der Markt für Unternehmensanleihen. "Zum ersten Mal seit Jahren sind in diesem Bereich wieder gute Erträge möglich", sagt der Anleihenexperte. Vor allem bei Hochzinsanleihen (BBB) habe es in den vergangenen Wochen eine Rallye gegeben, weil der Risikoappetit vieler Investoren wieder gestiegen ist, um die Inflation zu schlagen.

Nachfrage groß und stabil

Bei Unternehmensanleihen habe es zuletzt auch viele Neuemissionen gegeben, "die Nachfrage ist sehr groß und stabil", sagt Aubrey-Johnson. Wer in seinem Portfolio auf Anleihen setzt, kann an den Schrauben Laufzeit und Ertrag drehen. Der Ertrag hängt freilich auch von der Risikoeinstufung des Unternehmens ab. "Unser Job ist es nicht, Risiko zu vermeiden. Wir wollen die Risiko-Ertragsbilanz stabil halten", sagt der Experte.

Anleihen von Immobilienunternehmen klammert Aubrey-Johnson von seiner Kaufliste derzeit aus. Hier seien die Bewertungen derart in Bewegung, dass man als Investor abwarten sollte. Vor allem bei Gewerbeimmobilien zeige sich viel Instabilität. Der Privatimmobiliensektor zeige sich jedoch relativ stabil. Am stärksten ist das Team von Aubrey-Johnson im Finanzsektor engagiert. Die Banken hätten nach der Finanzkrise ihre Hausaufgaben gemacht. Hinzu sei gekommen, dass die Regierungen etliche neue Vorgaben gemacht haben, die das Risiko im Sektor minimiert hätten. "Banken haben die Qualität ihre Kreditportfolios verbessert, ebenso die Kapitalausstattung", sagt Aubrey-Johnson.

Die Macht der Zinsen

Doch auch das konjunkturelle Umfeld ist derzeit instabil. In den USA stellt sich die Frage, ob das sogenannte Soft Landing der Wirtschaft funktionieren wird. Im Moment erweist sich die Inflation jedenfalls als hartnäckiger als gedacht. Fed-Chef Jerome Powell hat daher bereits die Aussicht auf eine baldige Zinssenkung gedämpft. Die Teuerung in der Eurozone ist mit 2,6 Prozent hingegen schon nahe dem EZB-Inflationsziel von zwei Prozent. Eine Zinssenkung in der Eurozone wird für Juni erwartet. Doch es ist unsicher, dass die Wirtschaft in Europa rasch wieder anspringt. Rutscht Europa in eine schwere Rezession, ist es für Aubrey-Johnson aber keine ausgemachte Sache, dass Unternehmensanleihen Kursverluste erleiden würden. Steigen die Kurse von Staatsanleihen, könnten laut Johnson auch jene für Corporate Bonds steigen. Bis auf die Baubranche und den Immo-Sektor sei die Lage zudem stabil.

Sinken die Zinsen, trifft das aber auch den Anleihensektor. Vor allem der Einstieg in Anleihen könnte dann weniger lukrativ werden. Denn aktuell sind die Finanzierungskosten hoch, also müssen auch Bond-Emittenten mehr bieten. Sinken die Zinsen, werde man das auch auf der Corporate-Seite spüren, sagt Aubrey-Johnson. Fallen die Leitzinsen während der Laufzeit, können Anleger ihre zu Hochzinszeiten gekauften Anleihen mit Gewinn verkaufen, da die Zinsen auf Anleihen fix sind. (Bettina Pfluger, 17.4.2024)