Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat die europäischen Partner beim EU-Sondergipfel in Brüssel am Mittwochabend mit eindringlichen Worten um die Lieferung von Raketenabwehrsystemen und militärischer Assistenz gebeten, mit denen sein Land den russischen Beschuss mit Drohnen, Marschflugkörpern und Raketen abwehren könne. Als Vorbild nannte er dabei die Art, wie eine Allianz aus USA, Großbritannien, Frankreich und Jordanien mit der israelischen Armee gemeinsam den Angriff des Iran am Wochenende gemeinsam abgewehrt hat.

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via REUTERS/Olivier Hoslet

"Sie schafften es, fast alle Drohnen und Raketen abzuschießen, mit denen Israel angegriffen wurde", sagte er gemäß einem Protokoll aus der Sitzung des Europäischen Rats der 27 Staats- und Regierungschefs, zu dem er per Video zugeschaltet war. Leider gebe es das nicht in der Ukraine, in unserem Teil Europas, wird Selenskyj zitiert. Er verwies darauf, dass an dem Tag, an dem er spreche, zivile Gebäude in der Stadt Tschernihiw mit russischen Raketen angegriffen wurden. Es habe 17 Tote und 60 Verletzte gegeben, darunter Kinder. Das geschehe in seinem Land jeden Tag. Er könne nur daran appellieren, dass die EU-Staaten verstünden, dass Luftabwehr im Moment der Schlüssel zur Verteidigung sei.

Dank für deutsche Patriots

Der Luftraum über der Ukraine und deren Nachbarstaaten verdiene denselben Schutz vor Angriffen wie Israel, sagte der ukrainische Präsident. Er dankte ausdrücklich dem deutschen Kanzler Olaf Scholz für seine rasche Entscheidung, ein drittes Patriot-Abwehrsystem zu schicken, und für seine Bemühungen, die EU-Partner dazu zu bewegen, alles verfügbare Material zur Luftabwehr zu liefern. Scholz hatte diesen Vorschlag schon zum Beginn des Gipfels eingebracht. Dänemark, die Niederlande und Tschechien sagten sofort zu, die deutsche Initiative zu unterstützen.

Wie dringlich das ist, machte auch Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg in einer Pressekonferenz deutlich, indem er sagte: "Wenn die Alliierten die Wahl haben, ihre Nato-Kapazitätsziele zu erreichen oder der Ukraine mehr Hilfe zu liefern, ist meine Botschaft klar: Schicken Sie mehr in die Ukraine." Scholz rief die Partner dazu auf, ihre Bestände zu prüfen, ob Abwehrsysteme abgegeben werden können, speziell Patriot-Systeme, die dringend gebraucht werden. Angesprochen sind damit speziell Italien, Griechenland, Spanien und Frankreich, die dabei säumig sind. Selenskyj befürchtet, dass die russische Armee bald die gesamte Infrastruktur der Wärmekraftwerke und Dämme zerstören könnte, wie sie dies mit Angriffen seit Wochen zeige.

Hoffen auf US-Abkommen

Diese Angriffe könnten nur mit sehr speziellen Systemen verhindert werden, fuhr Selenskyj fort. Die Ukraine brauche auch Waffen, Artillerie, Fahrzeuge. Alles, was helfe, die Frontlinien zu halten. Nur so könne der russische Terror gestoppt werden. Die Produktion von Waffen und Munition müsse umgehend angekurbelt werden. Sein Land brauche aber auch umfangreiche Hilfe zum Wiederaufbau ziviler Einrichtungen, betonte er in der Hoffnung, bald auch ein Abkommen mit den USA abschließen zu können. Zudem will der Präsident den Start der EU-Beitrittsverhandlungen im Juni.

Die EU-Regierungschefs betonten in ihrer Schlusserklärung ihre volle Solidarität und Unterstützung für die Ukraine und verwiesen auf entsprechende Beschlüsse beim Treffen vor vier Wochen in Brüssel. Sie betonten die Notwendigkeit, Luftabwehr und nötige militärische Unterstützung "so rasch wie möglich zu liefern", auch Artilleriemunition. Im März war beschlossen worden, über tschechische Initiative 800.000 Artilleriegranaten auf dem Weltmarkt zu kaufen und an Kiew zu liefern. (Thomas Mayer, 18.4.2024)