Italiens Finanzminister Giancarlo Giorgetti greift inzwischen zu immer dramatischeren Bildern, um die verheerenden Auswirkungen des "Superbonus" zu beschreiben: "Er ist eine infernalische Kriegsmaschine, ein Monster, das schon auf schlimme Weise geboren wurde", erklärte Giorgetti am Montag im Parlament. Das von ihm angesprochene Monster wurde 2021 geboren, als die damalige Regierungskoalition aus der populistischen Fünf-Sterne-Bewegung und den Sozialdemokraten diverse Subventionen beschloss, um die in der Pandemie schwer gebeutelte Wirtschaft wieder anzukurbeln. Die großzügigste davon war der sogenannte Superbonus: Er ermöglichte es privaten Hauseigentümer, ihre Liegenschaft vollständig auf Kosten des Staates sanieren zu lassen. "Eine unglaubliche Geschichte, die schon auf der halben Welt zu Heiterkeit geführt hat", betonte der Finanzminister.

Italiens Finanzminister Giancarlo Giorgetti und Regierungschefin Giorgia Meloni. 
Italiens Finanzminister Giancarlo Giorgetti hat schwer an denAuswirkungen des "Superbonus" zu tragen.
REUTERS/Remo Casilli

Ihm selber ist nicht zum Lachen zumute. Denn die verschiedenen Boni kommen den Staat teuer zu stehen: Etwa 220 Milliarden Euro werden die Subventionen laut Giorgetti insgesamt kosten. Das ist sechsmal mehr, als in vier Jahren für das Grundeinkommen ausgegeben wurde, bis es Ende 2023 von der Rechtsregierung von Giorgia Meloni wieder abgeschafft wurde. Und weil die Boni nicht als direkte Zuschüsse, sondern in Form von Steuergutschriften gewährt wurden, werden sie die Staatskasse auch noch in den kommenden drei bis vier Jahren in Form von Steuerausfällen belasten. Bereits im vergangenen Jahr hat der "Superbonus" zu Ausfällen von 77 Milliarden Euro geführt. Nun explodiert deswegen das Defizit: Statt 4,3 Prozent des BIPs, wie im Haushaltgesetz 2023 geplant, betrug es 7,4 Prozent, gab das nationale Statistikamt am Montag bekannt.

Die irrwitzigen Subventionen der damaligen Regierung von Giuseppe Conte waren nur möglich gewesen, weil die europäischen Haushaltregeln pandemiebedingt ausgesetzt wurden – und sie sind nun der schlagende Beweis dafür, wie unverzichtbar diese Regeln sind. Im laufenden Jahr wird der europäische Stabilitätspakt in leicht reformierter Form wieder in Kraft gesetzt (gestern, Dienstag, sollten auf EU-Ebene die entsprechenden Beschlüsse gefasst werden). Die alten Parameter bleiben bestehen: Das Defizit darf langfristig nicht höher als drei Prozent des BIPs betragen, die Staatsverschuldung darf 60 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung nicht überschreiten. Stark verschuldeten Staaten wie Italien soll im Vergleich zu früher etwas mehr Flexibilität beim Schuldenabbau eingeräumt werden.

Höhere Ausgaben für Schuldendienst

Ein Defizitverfahren durch die EU-Kommission wird Italien in diesem Jahr dennoch kaum vermeiden können – zumal die Zukunftsaussichten alles andere als rosig sind. Im Staatshaushalt 2024 ist wie im Vorjahr ein Defizit von 4,3 Prozent vorgesehen – aber wie schnell eine solche Prognose durch den "Superbonus" zu Makulatur werden kann, hat man gerade gesehen. Hinzu kommen wegen des höheren Zinsniveaus gestiegene Ausgaben für den Schuldendienst: Laut Schätzungen wird Italien im laufenden Jahr 100 Milliarden Euro für Schuldzinsen aufbringen müssen. Der Schuldenberg wird in diesem Jahr die Drei-Billionen-Marke überschreiten. In absoluten Zahlen ist dies der mit Abstand der höchste Wert aller EU-Staaten; in Relation zum BIP liegt nur jener von Griechenland noch höher.

Trotz des drohenden Defizitverfahrens und der hohen Verschuldung zeigte sich Giorgetti im Parlament zuversichtlich. "Die von der EU möglicherweise verlangten Korrekturen liegen in unserer Reichweite", sagte der Finanzminister. Woher er seinen Optimismus nimmt, bleibt freilich sein Geheimnis. Denn Italiens Wirtschaft lahmt ähnlich wie die deutsche: Bei der Erstellung des Staatshaushalts 2024 rechnete die Regierung mit einem Wachstum von einem Prozent – diese bescheidene Prognose ist am Montag von der italienischen Zentralbank Banca d'Italia auf 0,6 Prozent gesenkt worden. Beobachter vermuten, dass die Rechtsregierung von Giorgia Meloni kurz vor den Europawahlen keine harten Sparmaßnahmen ankündigen will. Aber nach den Wahlen könnte auf die Italienerinnen und Italiener ein böse Überraschung warten. (Dominik Straub, 23.4.2024)