Verschwommene Tastatur
Die meisten Menschen sind von dem neuen Trend genervt.
AFP/RALF HIRSCHBERGER

"Schau zwischen G und J auf deinem Keyboard" – diese und ähnliche Nachrichten (mit alternierenden Buchstaben) haben Menschen auf dem Social Network X, vormals Twitter, in den vergangenen Tagen zuhauf gesehen. Mal steht der Text für sich alleine, mal wird er mit einem mehr oder weniger schönen Bild kombiniert, nicht selten werden diese seltsamen Aufforderungen zum Blick auf die Tastatur als Antworten auf beliebte Tweets veröffentlicht. Die User sind genervt und fragen sich gleichzeitig, ob es einen tieferen Sinn hinter diesem Trend gibt, den sie einfach nicht verstehen.

Dabei dürfte die Antwort relativ einfach sein: Es handelt sich hier um sogenanntes Enagagement-Farming, also den Versuch, die Interaktionen mit den eigenen Postings künstlich nach oben zu treiben. Immerhin ist dies eine vergleichsweise einfach zu erfüllende Aufgabe, dem vor allem simple Gemüter gerne nachkommen: kurz auf die Tastatur schauen und feststellen, dass zwischen G und J die H-Taste liegt, die Antwort schnell posten – hurra, schon wieder hat man das (unberechtigte) Gefühl, im Leben etwas geleistet zu haben.

Der Urheber des Postings freut sich wiederum über Interaktionen und somit über eine Bevorzugung im X-Algorithmus. Das gilt übrigens auch dann, wenn andere User nicht die korrekte "Lösung" als Antwort schreiben, sondern ihren Unmut über diese Entwicklung in Form diverser Memes kundtun.

Einige Institutionen drehen diese Entwicklung um, indem sie selbst ironische Postings absetzen. Dazu gehört etwa die Organisation hinter dem Guinness Buch der Rekorde mit einem entsprechenden Buchstabensuchspiel.

Uneinigkeit dürfte aber vor allem im X-Headquarter per se darüber herrschen, wie mit diesem Trend und allgemein mit dem Thema Engagement-Farming umzugehen ist. So hatte X-Eigentümer Elon Musk am 19. April 2024 verkündet, dass Accounts "suspendiert" und "bis zur Quelle zurückverfolgt" werden, wenn sie Engagement-Farming betreiben.

Von der Community erntete Musk für dieses Vorhaben weitgehend Zustimmung. Anderer Ansicht dürfte man allerdings ein paar Zimmer weiter sein: Denn auch über den offiziellen X-Account wurde wenige Tage später ein entsprechendes, sinnbefreites Posting abgesetzt. User machten Musk auf das Posting aufmerksam, der diesen wiederum mit einem lachenden Emoji kommentierte.

Wer nun nicht (mehr) auf X ist, der wird sich vielleicht fragen: Verpasse ich hier etwas? Hat dieser Trend etwas zu bieten, das mein Leben bereichern würde? Die Antwort lautet wohl: eher nicht. Vielmehr ist recht offensichtlich, was durch diese Postings definitiv nicht geschaffen wird: Sie finden es zwischen Q und Z auf Ihrer Tastatur. (red, 26.4.2024)