François Ruffin will bei den Linken Frankreichs die Spitze übernehmen.
François Ruffin will bei Frankreichs Linken die Spitze übernehmen.
AFP/DIMITAR DILKOFF

Laut einer Umfrage könnte François Ruffin bei der französischen Präsidentschaftswahl 2027 als einziger Linkskandidat die rechte Favoritin Marine Le Pen schlagen. Im ersten Wahlgang zöge er demnach mit 29 Prozent neben Le Pen (31 Prozent) in die Stichwahl ein. Der bürgerliche Ex-Premierminister Edouard Philippe schiede mit 25 Prozent als Drittplatzierter aus. Im Schlussduell lägen Ruffin und Le Pen mit je 50 Prozent gleichauf.

Anders gesagt: Wenn einer Marine Le Pen schlagen kann, dann François Ruffin von der Linkenpartei La France insoumise (LFI). Die vertrauliche Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Cluster-17 wurde von der Zeitung Libération veröffentlicht. Auftraggeber war Ruffin selbst – doch das muss das Resultat nicht beeinflussen. Der 48-jährige Nordfranzose aus der armen Arbeiterregion Picardie behauptet im Gegenteil, Cluster-17 stelle im Unterschied zu anderen Instituten die einzig wichtige Frage: Welcher Linkskandidat hat Chancen, in den zweiten Präsidentschaftswahlgang zu gelangen und den Triumph Le Pens zu verhindern?

Linke Allianz gescheitert

Indirekt lautet die Antwort: sicher nicht LFI-Chef Jean-Luc Mélenchon (72). Der charismatische, aber autoritäre Linkspopulist, der mit seiner Eloquenz das gesamte linke Lager dominiert, käme laut der Erhebung nur auf 18 Prozent. Sein Stern ist nicht nur altershalber im Sinken: Die von ihm gezimmerte Allianz der französischen Linksparteien (Nupès) ist gescheitert; und Mélenchons Weigerung, die palästinensische Hamas nach ihrem Angriff auf Israel am 7. Oktober letzten Jahres als terroristisch einzustufen, hat ihn Sympathien gekostet.

François Ruffin, der mit Abstand populärste Vertreter der Post-Mélenchon-Generation, ist politisch schwer fassbar. Er bezeichnete sich schon als "Sozialdemokraten", plädiert aber auch für einen "ökologischen Umbau" der französischen Gesellschaft. Er hält aber auch die in der EU rekordhohe Staatsschuld Frankreichs von über 3000 Milliarden Euro für gefährlich; und er sagt, die Linke müsse auf das Sicherheitsbedürfnis der kleinen Leute eingehen und die Kriminalität bis in die Banlieue-Viertel entschlossener bekämpfen.

Humor statt cholerischer Anfälle

Auffällig klar bezog Ruffin nach dem 7. Oktober Position gegen die "fanatische, terroristische" Hamas. Damit fordert er klar Mélenchon heraus, ohne dies offen zu sagen. Generell bietet er sich als Alternative zum LFI-Boss an: Dem Trotzkismus des Meisters begegnet er undogmatisch; dessen cholerische Anfälle neutralisiert er mit Humor.

Ruffins kurzfristiges Problem: Als unabhängiger Geist wird er bei der von den Parteien dominierten Europawahl am 9. Juni kaum in Erscheinung treten – anders als Mélenchon oder der proeuropäische Sozialdemokrat Raphaël Glucksmann. Mit der Umfrage versucht Ruffin – ein erklärter EU-Skeptiker – die Weichen für die Zeit nach der Europawahl zu stellen. Und die französische Linke 2027 nach zehn Jahren Macronismus wieder zum Sieg zu führen. (Stefan Brändle aus Paris, 26.4.2024)