Der Wiener Flügelhornist und Jazzkomponist Franz Koglmann ist der geschworene Feind allen Lamentierens: Melancholie muss man seiner Meinung nach kalt genießen.
Der Wiener Flügelhornist und Jazzkomponist Franz Koglmann ist der geschworene Feind allen Lamentierens: Melancholie muss man seiner Meinung nach kalt genießen.
imago/Rudolf Gigler

Es hat nicht erst der Ausrufung eines Arnold-Schönberg-Jahres bedurft, um eine essenzielle Quelle von Franz Koglmanns Jazz-Kammermusik offenzulegen: die Zwölftonmusik, die Grundlage jedes Serialismus. Nicht Schönberg, sondern ausgerechnet dessen "Kollege" Josef Matthias Hauer lieferte den Ursprungsimpuls für die neue Koglmann-Platte Near Blue – A Taste of Melancholy (Hat Hut Records). Das sporadische Vorkommen von Reihen verrät manches über die Verteilungsprinzipien in Koglmanns feingliedriger Musik: In ihr herrschen delikateste Gleichgewichtsverhältnisse. In seinem aktuellen Septett steuert Gert Schubert die Violine bei, Sandro Miori ist an diversen Saxofonen zu hören.

Versehen werden die hauchzarten Gebilde mit Geschmacksstoffen aus Koglmanns diversen Wunderkammern. Nicht nur Hauer spielt eine Rolle, auch der sagenumwobene US-Komponist Bob Zieff findet Eingang. Zieff-Stücke wurden übrigens einst von Art Farmer gespielt – der US-Trompeter verbrachte bekanntlich die letzten 30 Jahre seines Lebens in Wien.

Man zeigt sich inspiriert durch die Schuhmode der Trompetenlegende Chet Baker – dem James Dean des Cool-Jazz in den 1950ern. Gesaugt wird zudem vom Nektar eigener Blüten: So findet sich die Belehnung älterer Hommagen an die befreundeten Autoren Franz Schuh und Julian Schutting.

Über allem aber dominiert Koglmanns eminenter Klangfarbsinn. Eine fast schon Anton Webern’sche Art der Instrumentenverteilung sorgt für irisierende Effekte, ein Leuchten im Halbdämmer. Melancholie aus Prinzip, wobei sich gerade auch der Flügelhornist Koglmann in bestechender Form zeigt. Das samstägige Präsentationskonzert im Porgy & Bess zeigt Franz Koglmann auf Klangreise: auf den Flügeln seines Septetts, so wie einst auf denen des Pipetet – und von Monoblue. (Ronald Pohl, 26.4.2024)