Es ist nur fingernagelgroß, ein winziges Bauteil, ein bisschen Metall und Kunststoff, das der Techniker in seine flache Hand legt. Höchst unscheinbar. Trotzdem ist die Wirkung des Elektrolytkondensators mächtig: Ist er kaputt, ist die Stromversorgung gekappt. Aus, Schluss, keinen Pieps mehr gibt das Gerät von sich. Ein Klassiker bei einer Waschmaschine. Zehn bis 15 Cent kostet das Ersatzteil, in einer Viertelstunde ist es eingebaut. Wer dieses Problem hat, hat Glück. Die Reparatur kostet - wenn der Techniker nach Hause kommt - alles in allem 120 Euro. Mit dem Reparaturbonus wird es günstiger. Es könnte schlimmer sein.

In der kleinen, von Tageslicht durchfluteten Werkstatt des Wiener Reparatur- und Service-Zentrums RUSZ im 15. Wiener Gemeindebezirk stehen viele Patienten herum. Waschmaschinen und Geschirrspüler sind Einzelgänger, zu behäbig, zu schwer für den Transport. Sie werden meistens am Ort ihres Versagens repariert. Was sich in dem 200 Quadratmeter großen Gassenlokal in der Schwendergasse an allen Ecken und Enden findet, sind Handys, Laptops, Fernseher. Unverzichtbare Begleiter im modernen Leben. Bloß, sie haben den Geist aufgegeben. Ob endgültig oder nicht, darüber wird hier befunden. Freitagmittag, kurz vor Ladenschluss, wuseln viele Menschen herum. Es wird begutachtet, gefachsimpelt, geschraubt, gelötet und gebastelt. Reparieren ist wieder in Mode.

Zu schade zum Wegwerfen

Das geht auf eine Graswurzelbewegung der besonderen Art zurück. Was im Oktober 2009 im ersten Repair-Café in Amsterdam seinen Anfang nahm, kam 2016 nach Wien, heute gibt es sie österreichweit: Reparaturshops, die Haushaltsgeräte wieder flottmachen. Ehrenamtliche Reparateure finden sich mit jenen zusammen, die Kaputtes nicht sofort wegwerfen wollen. Wer zu "Schraube 14" stößt, kann auch im RUSZ kaputte Elektrokleingeräte unter Anleitung von Fachleuten selbst reparieren.

Sepp Eisenriegler hat dazu wohl einiges beigetragen. Der gelernte Geografieprofessor ist einer, der schon lange predigt, dass man ein kaputtes Gerät nicht unbedingt wegwerfen muss. Es gibt Gleichgesinnte, auch im Fachhandel, in den vergangenen Jahrzehnten wurden es aber immer weniger. Eisenriegler ist jedoch ein hartnäckiger Mann. Dass man sich 2015 auf EU-Ebene auf ein Kreislaufwirtschaftspaket verständigt hat, darf er sich auch ein bisschen auf seine Fahnen heften. Dem 70-Jährigen ist die Bauteilpolitik der Hersteller schon lange ein Dorn im Auge. "Sollbruchstellen" sind sein Spezialgebiet. Seine Theorie: Früher hätten sich die Hersteller an der Nachfrage orientiert, aber bald waren die Haushalte mit Waschmaschinen ausgestattet, der Blick auf zukünftige Verkaufsaussichten getrübt. Deshalb fing man an, an ein paar Schrauben zu drehen und weniger dauerhafte Teilchen zu verbauen.

Sterben vor der Zeit

Was die Waschmaschinen betrifft, findet sich da ein Röhrchen aus Plastik, dort ein fragiles statt stabiles Netzteil: Die Nutzungsdauer sollte verkürzt, die Nachfrage auf diese Weise gesichert werden. Stück für Stück "haben wir uns zu einer Wegwerfgesellschaft der besonderen Art entwickelt", sagt der drahtige Mann, der auch einmal Umweltberater war. Werkstätten wie das RUSZ sind aus seiner Sicht nur eine "Krücke für das Marktversagen". Das frühe Sterben von Geräten sei voraussehbar. Inwieweit die Theorie stimmt, ist umstritten. Aber Eisenrieglers Bild hat sich über die Jahre verfestigt: Die Konsumgesellschaft werde hier stimuliert, durch durchdachten, vorzeitigen Verschleiß.

Sepp Eisenriegler
Sepp Eisenriegler will es nicht hinnehmen, dass die Konsumwelt ist wie sie ist. Mittlerweile teilen nicht nur die Politik, sondern auch viele Gleichgesinnte und Konsumenten und Konsumentinnen seine Sicht.
DER STANDARD / Kirchgatter

Die Auswirkungen sind enorm. Laut einer UN-Studie aus dem Jahr 2019 sorgen die Entnahme von natürlichen Ressourcen und die Weiterverarbeitung für all diese Geräte für 50 Prozent der globalen Treibhausgase. Das wiederum beschleunigt das Artensterben. Ein teuflischer Kreislauf, der schwer zu durchbrechen ist. Würden alle Waschmaschinen, Laptops, Smartphones und Geschirrspüler in der EU nur ein Jahr länger genutzt, wäre das CO2-Einsparungspotenzial enorm. Eine Studie des europäischen Umweltbüros von 2019 rechnet mit vier Millionen Tonnen CO2 weniger. Das entspricht minus zwei Millionen Autos.

Das Problem hat mittlerweile auch die Politik erkannt. Auch dass das nicht so bleiben kann, ist politischer Konsens. Die EU will mit einem ganzen Bündel an Regelungen die gängige Praxis ändern. Mit dem dieser Tage im EU-Parlament verabschiedeten Recht auf Reparatur ist Schwung in die Sache gekommen. Die Zustimmung der 27 EU-Staaten gilt als Formalität. Ab da haben die Mitgliedsstaaten 24 Monate Zeit, sie in nationales Recht umzusetzen. Teil davon ist eine Reparaturpflicht, die die Hersteller rechtzeitig und kostengünstig bereitstellen müssen (siehe Wissen).

Ein Mann befüllt eine Waschmaschine.
Wenn die Waschmaschine läuft und läuft ist alles gut. Geht sie kaputt, wird es zuweilen kompliziert.
IMAGO/Anastasiya Amraeva

Nur: So leicht ist das Umsteuern nicht, weiß Sepp Eisenriegler aus der Praxis. Sollbruchstellen entstünden oft durch die Produktion. In der Waschmaschine ist eine der Schwachstellen auch das Trommellager. Es hält die Trommel stabil und sorgt dafür, dass die Waschmaschine problemlos läuft. Bei Billigwaschmaschinen ist das Lager oft aus Kunststoff, das nur in die Waschtrommel hineingepresst wird. Wollte man es tauschen, ginge die gesamte Waschtrommel kaputt, denn die Teile sind fest verbunden. Der einzige Ausweg: Die ganze Waschtrommel, also die halbe Waschmaschine, müsste getauscht werden. Das kann mehr kosten als ein neues Gerät. Natürlich macht das niemand.

Fehlende Ersatzteile

Dazu kommt: Oft fehlen die Ersatzteile. Eisenriegler hat sich dem Problem im Rahmen eines EU-Projekts systematisch genähert. 75 Haushaltsgroßgeräte ließ er auf Herz und Nieren prüfen. Es fehlte an allem – Ersatzteilen, technischen Anleitungen für Reparaturen oder Zugang zu Diagnosesoftware. Reparateuren wird es nicht leicht gemacht. Doch so weit ist man schon: Es besteht seltene Einigkeit, dass es ein Umsteuern braucht. Schritt für Schritt treten neue Regeln in Kraft. So sieht mittlerweile eine Verordnung vor, dass bei neuen Geräten Ersatzteile bis zu zehn Jahre lang verfügbar sein müssen. Zusätzlich müssen die Hersteller Reparaturanleitungen bereitstellen. Nicht zuletzt müssen die Ersatzteile mit normalem Werkzeug und ohne dauerhafte Beschädigung des Geräts ausgewechselt werden können. Es betrifft vorerst nur Weißware, Tablets, Waschmaschinen, Geschirrspüler und solche Geräte. Dass der Akku beim E-Bike ausbaufähig sein muss, das soll in den nächsten fünf Jahren kommen.

Im RUSZ in Wien werken Freitagmittag zwei Menschen an einer Audioanlage, andere kümmern sich um Leute, die ihre Geräte bringen oder abholen. Pro Woche sind es hunderte, Tendenz seit Einführung des Reparaturbonus steigend. Da hat Österreich ausnahmsweise die Nase vorn. Auf EU-Ebene ist finanzielle Unterstützung für die Konsumenten als Teil des Rechts auf Reparatur vorgesehen.

Einen Rat gibt Eisenriegler allen "Konsumtrotteln dieser Welt" mit: Eine Waschmaschine um 300 Euro, die drei Jahre hält, komme im Endeffekt mehr als doppelt so teuer wie eine Qualitätsmaschine um 900 Euro, die 20 Jahre funktioniert. (Regina Bruckner, Sarah Kirchgatterer, 28.4.2024)