Rund 1,4 Millionen Tonnen Plastikmüll wären kürzlich über einen Fluss in Guatemala ins Meer geflossen. An einem einzigen Abend. Mit einer schwimmenden Barriere haben Umweltschützer der Gruppe The Ocean Cleanup das eigenen Angaben zufolge verhindert. Für derartige Probleme mit Plastikmüll versucht man auf UN-Ebene nun seit zwei Jahren eine Lösung zu finden.

In Kanada endete am späten Montagabend (Ortszeit) die vierte von fünf Verhandlungsrunden für ein internationales Plastikabkommen. Ziel ist es, die ständig zunehmende Umweltverschmutzung durch Plastikmüll bis 2040 massiv zu verringern und auch die Neuproduktion von Plastik einzudämmen. Gescheitert ist eine Einigung bisher an jenen Staaten, die auch in Zukunft von fossilen Geschäftsmodellen wie der Plastikproduktion profitieren wollen.

Dazu zählen vor allem China, Saudi-Arabien und Russland. Österreich unterstützt als Teil der der sogenannten High Ambition Coalition ein weitreichendes Abkommen. Diese Allianz ist mittlerweile auf über 100 Staaten gewachsen und setzt sich für ein ambitioniertes Regelwerk ein.

Kleiner Fortschritt

Der ganz große Wurf ist in Ottawa bislang nicht gelungen. Die Fronten zwischen den beiden Allianzen seien weiterhin verhärtet, hört man aus Verhandlungskreisen. Aber gescheitert ist das Vorhaben noch nicht. Die Länder haben sich auf technische Arbeitsgruppen geeinigt, die bis zur nächsten Runde weiterarbeiten. Sie sollen Lösungen für komplexe Detailfragen und die heiß debattierte Finanzierung finden. Außerdem wurde erstmals ein potenzieller Vertragstext besprochen. Die umstrittenste Maßnahme ist ganz klar, die Menge an neu hergestelltem Plastik zu begrenzen.

Wissenschafter eingeschüchtert

Dutzende Wissenschafterinnen und Wissenschafter waren zu dem Treffen angereist, um aufzuklären, wissenschaftliche Belege für die Auswirkungen der Plastikverschmutzung zu liefern und keinen Platz für Falschinformationen zu lassen. "Ich habe gehört, dass es keine Daten zu Mikroplastik gibt, was nachweislich falsch ist. 21.000 Papers und Studien zu Mikro- und Nanoplastik wurden bisher veröffentlicht", sagte Bethanie Carney Almroth, Professorin für Ökotoxikologie an der Universität Göteborg in Schweden, der Nachrichtenagentur AP. Laut Almroth werden Wissenschafter teilweise von Lobbyisten belästigt und eingeschüchtert. Sie selbst sei von einem Lobbyist aggressiv angeschrien worden – das habe sie der Uno gemeldet.

"Das Ergebnis in Ottawa ist ein enttäuschender Minimalkompromiss. Eine Handvoll Länder mit großer Öl- und Gasindustrie verzögert den Prozess seit eineinhalb Jahren und schadet damit direkt unserer Gesundheit und unserem Planeten. Aber auch die EU hat sich auf sehr schwache Kompromisse eingelassen und riskiert damit ein Abkommen, das die Plastikkrise weiter verschärft", sagt Lisa Panhuber, Kreislaufwirtschaftsexpertin bei Greenpeace Österreich, die bei den Verhandlungen in Kanada asnwesend ist, zum STANDARD. Ein Lichtblick sei, dass die Reduktion der Plastikproduktion weiterhin als Option auf dem Tisch liege.

Ausgangslage und bisherige Probleme

Im Frühjahr 2022 haben sich mehr als 170 Staaten darauf geeinigt, bis Ende 2024 einen Vertrag auszuarbeiten, in dem verbindliche Maßnahmen für den gesamten Lebenszyklus von Kunststoffen festgelegt werden sollen – von den Mengen, in denen einzelne Materialien hergestellt werden, über das Design von Plastikprodukten bis hin zur Entsorgung und Wiederaufbereitung von Plastikmüll. Eigentlich hätte es die Rohversion dieses Vertrags durch die UN-Umweltorganisation Unep bereits vor der aktuellen Verhandlungsrunde geben sollen, doch die Positionen der Unterzeichnerstaaten waren zu weit voneinander entfernt.

Eine Frau steht vor einem Haufen Plastikmüll und legt ein Schild dazu.
Gescheitert ist eine Einigung bisher an jenen Staaten, die auch in Zukunft von fossilen Geschäftsmodellen wie der Plastikproduktion profitieren wollen. Dazu zählen vor allem Saudi-Arabien, China und Russland.
AP/Adrian Wyld

Demo vor der Konferenz

Bereits vor der Konferenz machte die Zivilgesellschaft mobil. Es gab unter anderem eine große Demonstration, zudem haben NGOs und Teile der indigenen Gemeinschaften Pressekonferenzen organisiert.

Ein Demonstrant schwenkt eine weiße Fahne, während er an einer Kundgebung mit dem Titel
Menschen demonstrieren in Kanada und fordern ein Ende der Plastikflut.
AP/Spencer Colby

Man will auf die angespannte Lage aufmerksam machen: Nach UN-Angaben wurden seit den 1950er-Jahren 9,2 Milliarden Tonnen Plastik produziert – das entspricht in etwa dem Gewicht von 910.000 Eiffeltürmen. Der überwältigende Teil des Plastiks ende als Abfall auf Deponien oder in der Umwelt. Die allermeisten Kunststoffe bauen sich biologisch nicht ab. Das Material verbleibt oft in riesigen Müllstrudeln in den Weltmeeren.

Die fünfte und letzte Verhandlungsrunde findet im November in Südkorea statt. Die Uhr tickt. (Andreas Danzer, 30.4.2024)