Im Vorfeld der bevorstehenden US-Wahl löst eine neue Untersuchung Besorgnis aus. Auf Facebook können sich hunderte rechtsextreme Miliztruppen nicht nur ungestört organisieren, sie werden derzeit auch immer aktiver. Hatte sich diese Szene nach dem Angriff auf das US-Kapitol bewusst zurückgehalten, wird nun wieder offen für gewalttätige Organisationen geworben, die eigentlich auf der Bannliste von Softwarehersteller Meta stehen.

"Patrioten"

"Schließt euch eurer lokalen Miliz oder III% Patriotengruppe an", wurde etwa in einer Facebook-Gruppe namens "Free American Army" geworben. Daneben das Logo des "Drei Prozenter"-Miliznetzwerks – ein Mann, der in Kampfausrüstung mit einem Gewehr abgebildet ist. Genau diese Gruppe befindet sich als paramilitärische Organisation auf Metas Liste mit gefährlichen Personen und Organisationen, entsprechende Postings müssten also eigentlich entfernt werden. Die Realität sieht anders aus. Erst nach dem expliziten Hinweis des US-Magazins Wired wurde die Gruppe von Meta geschlossen.

Rechtsextreme Milizen spielten beim Sturm auf das US-Kapitol eine zentrale Rolle.
REUTERS

Laut der Untersuchung ist die erwähnte Free American Army aber ohnehin nur eine von rund 200 Facebook-Gruppen, die vieles eint: Sie sind regierungsfeindlich, rechtsextrem und werden zur Koordination von gewalttätigen Milizen genutzt. Neben dem Aufbau von Strukturen geht es dort auch sehr handfest zu. Es wird für Kampftraining geworben, um auf "das Kommende" vorbereitet zu sein.

"Viele dieser Gruppen sind nicht wie früher einfach nur lokal aktiv, es gibt mittlerweile Koalitionen zwischen vielen Milizen", warnt Katie Paul vom Tech Transparency Project, das die Untersuchung durchgeführt hat. Facebook sei der wichtigste Anlaufpunkt für Rechtsextreme und die Milizbewegung, später werde dann auf private Messenger gewechselt, um die folgenden Aktivitäten in Ruhe planen zu können.

Durchgreifen? Oder doch nicht?

Bei Meta betont man, dass solche Gruppen regelmäßig entfernt würden. Allerdings sei es schwer, hier umfassend durchzugreifen, da die Akteure immer neue Wege fänden, die Facebook-Regeln zu umschiffen. Man wolle aber weiter stark investieren, um das Problem besser in den Griff zu bekommen, heißt es gegenüber Wired.

Eine Charakterisierung, die Außenstehende nicht so recht nachvollziehen können. Das Unternehmen habe zuletzt wenig getan, um die eigene Moderation zu verbessern, ist etwa Katie Paul überzeugt. All die Facebook-Policies seien nicht viel mehr als eine PR-Masche, wenn man nicht einmal so brandgefährliche Gruppen in den Griff bekommt.

Tatsächlich stand das Unternehmen zuletzt immer wieder in Kritik wegen mangelhafter Moderation. Doch Kritiker sehen das Problem als über Meta hinausgehend an: "Die Realität ist, dass weder Social-Media-Plattformen noch die Strafverfolgung wissen, wie sie auf Online-Räume, in denen sich gewalttätiger Extremismus breitmacht, reagieren sollen", formuliert es Jon Lewis von der George Washington University.

Auf die Ruhe ...

Dass die Milizen zuletzt eher ruhig geblieben sind, überrascht die Experten dabei nicht, das sei auf die Strafverfolgung infolge des Kapitolsturms zurückzuführen. Solche Phasen habe es immer wieder gegeben, etwa nach dem rechtsextremen Terroranschlag in Oklahoma City, der im Jahr 1995 168 Personen das Leben gekostet hat. Doch eine Wahl sei ein zuverlässiger Magnet für solche Leute, um all ihre Verschwörungstheorien und Gewaltfantasien wieder öffentlich auszuleben, ist Lewis überzeugt.

All das passiert vor dem Hintergrund wachsender Kritik an Meta. So wurden im Vorjahr hunderte Content-Moderatoren entlassen. Vor kurzem hieß es dann, dass es auch bei jenem Oversight Board, das eigentlich die Entscheidungen des Unternehmens prüfen soll, Kürzungen geben soll. Und Mitte August wird dann Crowdtangle eingestellt, ein Tool, mit dem Journalisten und Forscher bisher untersuchen konnten, wie sich Falschinformationen auf Facebook und Instagram verbreiten. (apo, 6.5.2024)