Ukrainische Soldaten feuern mit M777-Haubitzen aus US-Fertigung auf russische Stellungen. Die verwendete Excalibur-Munition wird durch russisches GPS-Jamming stark beeinflusst.
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Die russische elektronische Kriegsführung im Ukrainekrieg wird zunehmend zum Problem für den Westen. Russland stört GPS-Signale in weiten Teilen Osteuropas und der Ostsee, was zu erheblichen Schwierigkeiten im Flugverkehr führt. Das eigentlich Ziel, die Präzision westlicher Waffen zu senken, dürften die russischen Streitkräfte ebenfalls erreichen. In den USA arbeitet man bereits an Waffen, die GPS-Jammer gezielt anvisieren können.

Waffen wie ATACMS oder durch den Nachrüstsatz JDAM "smart" gemachte Bomben verlassen sich auf Satellitensignale, um ihre Ziele zu finden. Jedoch dürfte deren Präzision durch die russischen Störmaßnahmen deutlich gesunken sein, wie Business Insider unter Berufung auf geleakte Dokumente des US-Pentagons berichtet. Demnach sind vier Fälle dokumentiert, in denen JDAMs mit erhöhter Reichweite ihr Ziel aufgrund von russischer elektronischer Kriegsführung verfehlten.

Relativ einfache Technik

Elektronische Kriegsführung hat einen enormen Vorteil: Die Technologie ist relativ simpel, billig und sehr effektiv. Diese Taktiken werden nicht nur eingesetzt, um präzisionsgelenkte Munition zu stören. Sie können auch eingesetzt werden, um die Verbindung zwischen einem Operator und einer Aufklärungs- oder Kampfdrohne zu unterbrechen. Dem setzt die Ukraine unter anderem Drohnen entgegen, die ihr Ziel auch dann treffen können, wenn das Signal zum Piloten abreißt.

Gerade Satellitensignale sind relativ einfach zu manipulieren, wird in dem Bericht Thomas Withington, ein Experte für elektronische Kriegsführung und Luftverteidigung und Associate Fellow am Royal United Services Institute, zitiert. Beim Jamming wird der Empfänger, also die Munition, so lange mit Rauschen beschossen, bis dieser das Positions-, Navigations- und Zeitsignal verliert, das er vom Satelliten empfangen hat.

Eine Excalibur-Granate (oben). Die Trefferquote der gelenkten Artilleriemunition sank auf nur sechs Prozent.
REUTERS

Beim Spoofing hingegen werden falsche GNSS-Informationen an das Navigationssystem der Waffe gesendet, sodass diese vom Kurs abweicht. Jamming ist einfacher und kann mit billigeren Geräten durchgeführt werden, während Spoofing laut dem Bericht im Ukrainekrieg in spezielleren Fällen eingesetzt wird, etwa um Standorte vor dem Feind zu verbergen.

Geringe Präzision von Artilleriemunition

Die smarte Artilleriemunition Excalibur und GMLRS weisen aufgrund von russischen Störmaßnahmen eine deutlich gesunkene Präzision auf. Das Ausmaß sei "erschreckend", wird ein Experte zitiert. So soll die GPS-gelenkte Excalibur-155-mm-Artilleriegranate zu Beginn ihres Einsatzes in der Ukraine eine Genauigkeit von 70 Prozent gehabt haben.

Nach sechs Wochen und intensiven russischen Störmaßnahmen sank die Trefferquote auf sechs Prozent, wie Dan Patt, ein Militäranalyst des Hudson Institute, bei einer Anhörung im US-Kongress erklärte. Kein Wunder: "Die maximale Effizienz eines neuen Waffensystems beträgt nur etwa zwei Wochen, bevor Gegenmaßnahmen entwickelt werden", so Patt.

Ist also das Ende von derartiger Präzisionsmunition gekommen? Nein, denn wie die US-Airforce ankündigte, arbeitet man einer Variante von JDAMs, die nicht nur immun gegen Störversuche sein soll, sondern auch gezielt die Quelle des Signals anvisieren kann. Denn je stärker die Störsignale ist, umso besser sind die Chancen, dessen Quelle zu orten.

"Das Schema von Maßnahme, Gegenmaßnahme, Gegen-Gegenmaßnahme, das wir in der Ukraine sehen, ist typisch für einen Krieg", sagte Mark Cancian, Oberst des Marine-Corps im Ruhestand und leitender Berater am Center for Strategic and International Studies. Und er warnt davor, an "Gamechanger" zu glauben: Denn es gebe keine Technologie, die einer Seite den ultimativen Vorteil biete. (pez, 10.5.2024)