Während die Wirtschaft und der Eurozone auch im Auftaktquartal nur schleppendes Wachstum verzeichnete, ist jene des Vereinigten Königsreichs viel dynamischer in dieses Jahr gestartet. Mit einem Zuwachs um 0,6 Prozent gegenüber dem Vorquartal hat sie nicht nur die Prognosen der meisten Ökonomen deutlich übertroffen, sondern auch die Rezession des Vorjahres abgeschüttelt. Dennoch, die langfristige Entwicklung bleibt dürftig. Die britische Wirtschaftsleistung liegt nämlich bloß um 1,7 Prozent höher als Ende 2019, dem letzten Quartal vor Ausbruch der Corona-Pandemie – eine ernüchternde Bilanz für mehr als vier Jahre.

Ein Mann geht mit Kaffeebecher in der Hand vor einer Auslage.
Beim Konsumieren zeigten sich die Briten zuletzt noch sehr zugeknöpft. Vielmehr wurde das Wachstum im ersten Quartal von Investitionen getragen.
EPA/NEIL HALL

"Es waren ein paar schwierige Jahre, aber die heutigen Wachstumszahlen sind ein Beleg dafür, dass die Wirtschaft erstmals seit der Pandemie wieder vollständig genesen ist", sagte Finanzminister Jeremy Hunt am Freitag. Angetrieben wurde das Wachstum von den Dienstleistungen und dem produzierenden Sektor, die beide überdurchschnittlich zulegten, wobei sich die Baubranche sich allerdings auch in Großbritannien weiterhin auf Schrumpfkurs befindet. Der private Konsum hat zwar zugelegt, allerdings nur sehr verhalten.

Höhere Inflation

Die Kehrseite des deutlichen Wachstums ist gewissermaßen die Inflationsrate, die mit 3,2 Prozent deutlich über jener der Eurozone liegt – und auch über dem Zielwert der Notenbank, die lediglich zwei Prozent Teuerung für angemessen hält. Daher hat die Bank of England auch bei ihrer Sitzung am Donnerstag den Leitzins bei 5,25 Prozent auf hohem Niveau belassen, um die Inflation auf den Zielwert zu drücken. Allerdings stellte sie auch eine etwas lockerere Geldpolitik im Jahresverlauf in Aussicht – und zwar möglicherweise früher als bisher erwartet.

Denn Notenbankchef Andrew Bailey zeigte sich "optimistisch, dass sich die Dinge in die richtige Richtung bewegen". Er hält nun eine erste Zinssenkung bereits im Juni für möglich. Dies sei "weder ausgeschlossen noch eine vollendete Tatsache", betonte Bailey. Bisher hatten die meisten Experten erst mit einer Zinswende im August gerechnet. "Wir erwarten, dass er in den kommenden Monaten nahe an der Zielmarke liegen wird", sagte Bailey. "Das ist ermutigend." Allerdings räumte der Notenbankchef ebenso ein, dass man noch mehr Belege für die erwartete Entwicklung benötige.

Verhaltener Konsum

Zwar wuchs der private Konsum in Großbritannien zuletzt nur schleppend, allerdings verzeichnen viele Briten heuer Kaufkraftgewinne, da die durchschnittlichen Lohnzuwächse von rund sechs Prozent deutlich über der Teuerung liegen. Zudem stiegen im Dienstleistungssektor die Preise zuletzt immer noch mit einer Jahresrate von sechs Prozent. "Der fiskal- und geldpolitische Mix ist angemessen restriktiv und sollte es auch bleiben, bis die Inflation dauerhaft zum Ziel zurückkehrt", warnen zuletzt die Experten der OECD die Bank of England vor einer voreiligen Zinssenkung.

In diesem Jahr steht voraussichtlich noch eine Parlamentswahl an, weshalb die Konservativen rund um Premierminister Rishi Sunak auf Rückenwind sowohl durch die Konjunkturerholung als auch durch Zinssenkungen hoffen dürften. Denn laut Umfragen liegt die oppositionelle Labour Party klar vor Sunaks Partei. Für die Ökonomin Gora Suri vom Beratungshaus PwC wenig verwunderlich, denn: "Pro Kopf gerechnet kann man sagen, dass es in den vergangenen zwei Jahren in den britischen Haushalten kaum eine nennenswerte Verbesserung des Lebensstandards gegeben hat." (Alexander Hahn, 10.5.2024)