Wenn Money Boy den Türkenschanzpark im 18. Wiener Gemeindebezirk betritt, wird es plötzlich ganz hell. Das liegt womöglich an der dicken Goldkette, die um seinen Hals baumelt. Bling-Bling, Glitzer-Glitzer. Zwei Meter groß, volltätowierte Arme, Jeans und Leiberl von der Designermarke Amiri, mehrere Tausend Euro teuer. Damenbegleitung. Namentlich will sie nicht genannt werden. Wir treffen uns am Basketballplatz, exakt dem Ort, wo vor fast 14 Jahren eine ganz einzigartige Karriere begann. "Bitch ich trag’ ne blaue Hose, blaues Shirt, blaue Cap / und bin der Dude, der über Kleidung, Geld und Frauen rappt." Seine Kappe ist heute rot.

Sein Studium der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft an der Universität Wien schloss Sebastian Meisinger 2008 mit einer Diplomarbeit zum Thema
Sein Studium der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft an der Universität Wien schloss Sebastian Meisinger 2008 mit einer Diplomarbeit zum Thema "Gangsta-Rap in Deutschland – Die Rezeption aggressiver und sexistischer Songtexte und deren Effekte auf jugendliche Hörer" ab.
Götz Schrage

Bürgerlich heißt dieser Mann Sebastian Meisinger und ist 42 Jahre alt. Aufgewachsen im 15. Wiener Gemeindebezirk – "Rudolfscrime-Fünfhaus", wie er ihn nennt. Ein ganz normales Leben. Bis zum Spätsommer 2010. Mit der Veröffentlichung von Dreh den Swag auf ändert sich nämlich alles. Im Musikvideo bewegt sich Meisinger etwas ungelenk, fährt mit dem Segway durch Wien, stellt sich im Autogeschäft vor einen Ferrari. "Zähle so viel Money jeden Tag, ich find es echt geil / Mein Swagger ist total außer Kontrolle, ich bin echt nice", rappt er darin. Manche fanden das cool, andere lachten damals, aber jeder sprach über Money Boy. Der kann das doch nicht ernst meinen, dachte man. Oder?

Schneller Erfolg

Heute ist Money Boy einer der meistgebuchten Rapper Österreichs. "Gib mir mal bitte eine Zigarette", sagt Meisinger zu seiner Begleiterin und fängt an zu erzählen. "Ich war davon überzeugt, alles zu haben, um ein popular Rapper zu werden", erklärt er nostalgisch und mit den für ihn typischen Anglizismen. Es habe ja auch schnell funktioniert, Eko Fresh hat sich dann gemeldet, und Sido. Viele sagten ihm, er solle den Hype ausnutzen. "I just got started", dachte er sich.

Sein Studium der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft hatte er zuvor mit einer Arbeit über "Gangsta-Rap in Deutschland" abgeschlossen. Schlecht für die Street-Credibility. Man munkelte damals, das Projekt Money Boy wäre doch nur ein soziales Experiment. Eine Dissertation? "Ich habe meine Diplomarbeit geschrieben, um Diplomarbeiten satirisch zu hinterfragen und Studenten zu verarschen", stellte er auf Twitter klar.

"Hallo Sebastian", ruft plötzlich jemand aus der Ferne. "Manuel heiße ich, wir haben uns einmal am Neustifter Kirtag getroffen", sagt er. "Sheesh", antwortet Meisinger. "Da hast du einen echt nicen Freestyle gemacht", redet Manuel weiter. Im Volksgarten, beim allerersten Konzert, sei er damals auch gewesen, und in der Arena, mit Hustensaft Jüngling. "Da wart ihr so breit", erzählt Manuel. Er will noch ein Foto machen, geht dann weiter.

Hustensaft Jüngling war einer jener Rapper, der damals gemeinsam mit Medikamenten Manfred, Lgoony, MC Smook und vielen anderen die Glo Up Dinero Gang bildete. Eine lose Gruppe rund um Money Boy. "Ich bin ein cooler Boy, iced out wie ein Schneemann / Ich und meine Boys verkaufen Schnee, man", rappte der damals 15-jährige Jüngling. Im November 2014 dann ein großer Karrierehöhepunkt. In einem Interview auf dem deutschen Sender Joiz empfahl Money Boy den Zusehern, zu Drogen wie Heroin, Kokain, MDMA und Alkohol zu greifen, um auf Partys Vollgas zu geben. "Mein lieber Scholli, sicher nicht", antwortete die Moderatorin, in Sorge um ihren Job bei dem Jugendsender. "Ähh was", erwiderte Meisinger und grinste schelmisch in die Kamera. Er habe nur einen Joke gemacht, räumte er dann schuldbewusst ein.

Frag nicht was für Saft

Viel habe damals auf einen billigen Schockeffekt abgezielt, erklärt Meisinger. Er bittet seine Begleiterin um noch eine Zigarette. Mit einigen Liedern von damals könne er sich heute nicht mehr identifizieren. Es sei leicht gewesen, mit frauenverachtenden Texten und pietätlosen Witzen große Aufmerksamkeit zu generieren. "Manchmal zucke ich aber selbst zusammen, wenn ich alte Tracks höre. Vieles war hella ignorant und geht einfach nicht", sagt er. Die größere Kunst sei es eigentlich, lustig zu sein, ohne nach unten zu treten.

In den darauffolgenden Jahren wurden sowohl die Live-Shows als auch die Skandale größer. Da gab es lustige Episoden wie das Verschütten von Fanta auf der Bühne beim Splash-Festival während eines Auftritts der Orsons. Weniger lustig war, als Money Boy und seine Gang, während eines berauschten Konzerts das Publikum mit Bechern und anderen Gegenständen bewarfen. Es folgten eine Anzeige wegen fahrlässiger Körperverletzung und Ausladungen aus großen Konzerten wie dem Nova-Rock-Festival. Als Reaktion darauf löschte Meisinger seinen Youtube-Kanal, auf dem Dreh den Swag auf allein mehr als 22 Millionen Aufrufe zählte. Ein kompletter Neustart. "Ich wollte mich wie Rocky wieder nach oben kämpfen", erklärt er.

Sein Auftreten ist seitdem ruhiger und professioneller. Die Hip-Hop-Welt erkennt ihn mittlerweile als einen der einflussreichsten deutschsprachigen Künstler des vergangenen Jahrzehnts an. Das deutsche Jugendwort des Jahres geht regelmäßig auf ihn zurück: Swag (2010), fly sein (2016), I bims (2017). In ihrer Diplomarbeit "Sprache als Medium der Konstruktion und die Inszenierung von Gangsta-Rap(-Identität) am Beispiel Money Boy" hat sich Nina Wieneritsch wissenschaftlich mit dem Boy befasst. Ihr Professor sei mit diesem Thema an sie herangetreten.

Liebe zur Musik

Benedek Kruchió von der University of Cambridge beschäftigt sich privat mittlerweile auch seit zehn Jahren intensiv mit dem Schaffen Meisingers. In Money Boys Musik sieht er einen radikalen Gegenentwurf zu der unter Deutschrappern verbreiteten Tendenz, den direkten Vergleich mit US-Künstlern zu scheuen. "Meisingers Mut zum Epigonentum mag zwar Spuren von postmoderner Medienkritik enthalten; am spannendsten an seinen intertextuellen Eskapaden sind aber die Vertrautheit mit der Culture und die Liebe zu ihr, die sie ausstrahlen", erklärt der Altphilologe.

Das Konzert in der Halle E der Wiener Stadthalle war restlos ausverkauft. Ein Heimspiel für Money Boy, der im 15. Bezirk aufgewachsen ist. 
Das Konzert in der Halle E der Wiener Stadthalle war restlos ausverkauft. Ein Heimspiel für Money Boy, der im 15. Bezirk aufgewachsen ist.
Andreas Graf

Zwei Wochen später spielt Money Boy ein Konzert in der Wiener Stadthalle, Halle E, ausverkauft. Nebenan hat er früher Basketball gespielt. In einem roten Jogginganzug mit Supreme-Sturmhaube und einem Gucci-Bandana, das aus seinem Popschtascherl hängt, betritt er pünktlich die Bühne. Die Buben in der Row Zero kreischen. "MONEY BOY! MONEY BOY!" Viele Fans sind so jung, dass sie Dreh den Swag auf bei der Veröffentlichung 2010 gar nicht gehört haben können. Eine neue Generation. Ob das ernst gemeint ist, fragt sich hier niemand mehr. Alle feiern. Swag. (Jakob Thaller, 13.5.2024)