"Sadis-Rose" von Agnes Bakucz Canário ist eine "Emo-Séance" mit Spiritualität, Harfe, Empfindsamkeit und "liebeskranken Texten".
Ina Aydogan

Wieder startet das Tanzquartier Wien eine "Rakete" in Form seines sehr speziellen kleinen Festivals für den Nachwuchs. Der Untertitel "Choreografie & Performance einer neuen Generation" meint das Stücke- und Projekteschaffen eines Ausschnitts von jungen Kunstschaffenden – so wie ihn das Tanzquartier aktuell umgrenzt.

Den Auftakt am 3. Mai macht die Tänzerin Ewa Dziarnowska aus Berlin. Sie befasst sich mit "Ideologien von improvisatorischen Prozessen und verkörpertem Wissen, um dem vorherrschenden Bedürfnis nach Rationalität, Linearität und Sinnstiftung entgegenzuwirken". In ihrem dreistündigen Werk This resting, patience zielt sie auf eine idealisierte Zukunft, die sie sich als "für immer schwebend und sich entfaltend, ganz und gar zärtlich, betörend aufmerksam" vorstellt.

Sehr musikalisch soll es am 10. und 11. Mai bei Sadis-Rose von Agnes Bakucz Canário hergehen. Eine "Emo-Séance" mit Spiritualität, Harfe, Empfindsamkeit und "liebeskranken Texten". An denselben Abenden erklingt zwischen hart und heilsam das Noise-Konzert Neum von Mina Tomic und Omi.

Charaktertänze wie Mariachi

Weiter geht das Programm eine Woche später unter dem vielversprechenden Titel Masterpiece. Gemeinsam mit dem Musiker Peter Rubel und einem Lautsprecher-Chor bewegt sich die auch in Berlin lebende Kolumbianerin Luisa Fernanda Alfonso in diesem Stück exzessiv und dramatisch durch die Wunder von Charaktertänzen, etwa dem Mariachi aus Mexiko.

Unmittelbar im Anschluss an Alfonso präsentieren die Wienerin Verena Herterich und der Klangkünstler Oravin erstmals das Solo Myrth. Auch diese Arbeit steckt voller Ambitionen. Beim "genussvollen Umformen der eigenen (Ver)Form(ung)" will Herterich "ihre Figur aktiv und sorgsam drängend episch zu Fall" bringen. Epische Versprechungen machen ja immer einigermaßen neugierig.

Dass auch Abendstund' Gold im Mund hat, wird Luca Büchler in der Uraufführung seines Solos After the end, before the beginning zeigen, und zwar am 24. und 25. Mai. Diese Arbeit soll in glühendem Werden biografisch und transgressiv sein. Im Anschluss daran gibt es noch die Performance Several attempts at braiding my way home von Amina und Adam Seid Tahir zu sehen – eine, wie es heißt, "radikal zärtliche afronordische Folklore".

Lesungen, Vorträge, Musik

Zusätzlich bietet das Rakete-Festival noch eine Auswahl an weiteren Veranstaltungen, darunter am 5., 11. und 25. Mai ein jeweils unterschiedlich besetztes Saturday Hangout mit Vorträgen, Lesungen, Musik und Künstlergesprächen. Apropos Vortrag: Einen solchen unter dem Titel Climate Change as Class War hält der Umweltwissenschafter Matthew T. Huber am 10. Mai in einer Zoomschaltung: Es kann offenbar nie genug Ideologie und Krieg geben.

Das gesamte von Lewon Heublein kuratierte Festival findet ausschließlich in den heimeligen Räumlichkeiten der Tanzquartier-Studios statt. (Helmut Ploebst, 3.5.2024)