Demonstration vor dem Bundeskanzleramt gegen zu viel politischen Einfluss im ORF.
Demonstration vor dem Bundeskanzleramt gegen zu viel politischen Einfluss im ORF.
APA/LUKAS WODICKA

Die Geschichte von Maria Ressa macht Pressefreiheit begreifbar. Die frühere CNN-Investigativreporterin bezahlte ihren Plan, mit Rappler ein unabhängiges Medium in ihrer Heimat, den Philippinen, zu schaffen, mit strafrechtlicher Verfolgung und wiederholten Verhaftungen.

Die Einschränkungen kamen schleichend, zogen auf wie schwerer Nebel: mehr als zehn lange Steuerverfahren mit Androhung von 34 Jahren Gefängnis, ewige Prozesse. Als Maria im März 2019 nach einem Zusammentreffen von Journalisten zurück aus den USA auf die Philippinen flog, konnten wir, die in Amerika Verbliebenen, live verfolgen, wie unsere Kollegin bei der Ankunft am Flughafen von Manila festgenommen wurde. Wegen angeblicher Steuervergehen, nicht wegen ihrer journalistischen Unbeugsamkeit.

Nicht nur meine Frage: Warum flog sie zurück in die sichere Festnahme, ihre siebte übrigens? "Weil wir uns nicht einschüchtern lassen, weil ich muss." Marias Streben wurde belohnt – mit der Tatsache, dass Rappler.com den ehemaligen philippinischen Präsidenten Rodrigo Duterte überstanden hat. Vor drei Jahren wurde Maria Ressa der Friedensnobelpreis verliehen.

Österreich hinter Trinidad und Tobago

Heute sind die Philippinen auf Rang 134 des von Reporter ohne Grenzen veröffentlichten Pressefreiheitsindex. Österreichs Platzierung auf Rang 32 ist eine dankbare Schlagzeile: Österreich hinter Trinidad und Tobago, Osttimor und nur kurz vor Namibia.

Die Lage ist in Österreich dennoch eine andere: Im Hier und Jetzt bedrohen strukturelle Probleme die Pressefreiheit. Ein System der Inseratenkorruption hat bei Boulevardmedien zu einer hohen Abhängigkeit von den Regierenden geführt.

Die Sorge um die Unabhängigkeit des ORF ist in Österreich ebenso keine Neuigkeit. Chat-Nachrichten, die nun offenlegen, dass nicht einmal der Vorturner der Nation ohne Parteiintervention seine Zukunft im ORF planen wollte, dienen als Anschauungsmaterial, wie weit und unvermittelt Parteieinfluss auf den Küniglberg reicht.

Was die FPÖ mit "Medienfreiheit" meint

Die durch Umfragen gestählte FPÖ schickt sich schon an, von "echter Medienfreiheit" zu fabulieren. Damit ist gemeint, dass die bisher freien, lästigen Medien zurechtgestutzt, auf Linie oder wirtschaftlich in den Schwitzkasten genommen werden sollen. Schon jetzt werden einzelne Journalisten namentlich herausgepickt und angegriffen.

In den vergangenen Monaten waren alle Chefredakteure dieses Landes damit beschäftigt, sich gegen Einschränkungen der Berichterstattung zu wehren. Die ÖVP gab erst nach Widerstand ein Akten-Zitierverbot auf. Eine vom Verfassungsgerichtshof ausgelöste Neufassung der Datenschutzrichtlinie barg die Gefahr, dass jede investigative Recherche hätte verhindert werden können. René Benko, Egisto Ott oder Sebastian Kurz könnten Auskunft verlangen, was Investigativjournalisten über sie gespeichert haben. Die gefährliche Aushöhlung des Redaktionsgeheimnisses dürfte vom Tisch sein.

Es gibt auch Hoffnung: Die zwischenzeitlich von Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) und SPÖ-Chef Andreas Babler in Aussicht gestellte Idee von kostenlosen Zeitungs-Abos für junge Menschen erinnert an das in Kreisky-Zeiten eingeführte Gratisschulbuchsystem, das Bildung in einer nie gekannten Weise demokratisiert hat. Eine Demokratisierung von Informationen, gedruckt oder digital, tut not. (Gerold Riedmann, 3.5.2024)