Plakate, Kulis und Feuerzeuge hat jeder schon einmal während eines Wahlkampfes in die Hand gedrückt bekommen. Doch es war ein ganz besonderes Wahlkampfgeschenk, das Martin Thür zu seinem Hobby anregte. Mit der Erwin-Pröll-Haube, die die "Haarpracht" des Politikers imitieren sollte, wurde die Sammlung, die unter dem Titel "Wahlkampfgeschenke seit 1945" beim Journalismusfest Innsbruck erstmals zu sehen ist, begonnen. Was hinter der Zusammenstellung der Exponate steckt, erläuterte der ORF-Moderator und Journalist Martin Thür dort in einem Interview.

Martin Thür beim Journalismusfest Innsbruck. Dort präsentierte der
Martin Thür beim Journalismusfest Innsbruck. Dort präsentierte der "ZiB 2"-Anchor seine Sammlung von Wahlgeschenken.
Journalismusfest Innsbruck Alena Klinger

Kuli, Kaffee, Klumpert

Schon bei der Eröffnung der Ausstellung am Freitag im Innsbrucker Treibhaus war deutlich zu erkennen: Martin Thür ist Feuer und Flamme für seine Sammlung. Immer wieder blieb er bei einzelnen Exponaten stehen und erzählte den Besucherinnen und Besuchern deren Besonderheiten. Dabei gab es immer wieder etwas zu lachen. "Ich habe begonnen die Wahlgeschenke zu sammeln, weil ich das wahnsinnig lustig finde und weil ich es spannend finde, dass die Wahlgeschenke irgendwie ein Spiegel der Zeit sind", sagt der ORF-Moderator.

Die Exponate sammelte oder kaufte er selbst, zum Teil wurden sie ihm auch von Familie, Freunden und Interessierten zugesendet. Die Richtlinie, dass Journalisten eigentlich keine Geschenke annehmen dürften, stand ihm dabei nicht im Weg: "Es gibt für Journalisten eine Regel: Kuli, Kaffee und Klumpert darf man annehmen und all diese Exponate haben im Gesamten vielleicht einen Wert von 60 Euro. Die Wahlkampfgeschenke sind außerdem Geschenke, die alle Wähler bekommen, zu denen zähle ich auch."

Die Sammlerstücke stammten zum größten Teil von bedeutenderen Wahlen, denn bei Bundeswahlen, so Thür, haben Parteien mehr Mittel für Wahlgeschenke. Doch prinzipiell findet jedes Wahlgeschenk aus jeder Wahl einen Platz in seiner Sammlung, solange es etwas Besonderes ist.

Haider und Kickl: Vom Exponat zur Erkenntnis

Als Politikjournalist liegt das Interesse an Wahlgeschenken auf der Hand. So sammelte Thür neben den Exponaten auch neue Erkenntnisse zu den einzelnen Wahlen und erkannte beispielsweise innerparteilich einige Tendenzen. "Zwar sind die Wahlgeschenke ein Spiegel der Zeit und der aktuellen Wahlen, doch Politik ist auch eine Form von Wiederholung. So kann man beispielsweise Jörg Haider Plakate eins zu eins für Herbert Kickl wiederverwenden, und einige Slogans werden das sogar", erläuterte der ORF-Moderator die Ähnlichkeit von Wahlkampfgeschenken innerhalb einer Partei.

Journalismusfest 2024 - Martin Thür: Meine Sammlung. Wahlgeschenke seit 1945
ZiB2-Moderator Martin Thür ist nicht nur für seine Vorliebe für Excel-Listen bekannt, sondern auch für seine Sammlung kurioser Wahlgeschenke. Zum Superwahljahr 2024 erstellte er eine Excel-Liste seiner skurrilsten Stücke und stellte diese beim Journalismusfest
Journalismusfest Innsbruck

Auch die Ideologien der Partei oder die Präsenz der Politiker findet sich in den Exponaten wieder. "Die Grünen haben häufig sehr nachhaltige Wahlgeschenke, wie Bienenwachstücher oder wiederverwendbare Damenbinden. Erwin Pröll, der nicht als verknöcherter Politiker wahrgenommen werden wollte, hat eine Erwin-Pröll-Actionfigur als Wahlgeschenk und Van der Bellen lässt Hauspatschen mit VDB-Druck produzieren", zählte der Journalist einige Beispiele auf.

Dabei ging Thür aber nicht davon aus, dass die Wahlgeschenke selbst zur Wahl anregen. "Es gibt zu Wahlplakaten schon ganz gute Forschungen, die besagen, dass sie die politische Meinung nicht ändern, aber den Kandidaten bekannter machen. Indirekt hat man dann eine Chance, mehr Wähler zu kriegen, da sich die Menschen dann mit der Person auseinandersetzen. Aber der Weg ist nicht: Ich bekomme in der Fußgängerzone irgendwas in die Hand gedrückt und wähle dann die Partei. So funktioniert das nicht."

Zwischen Grauen und Humor: Favorit Kondom

Doch bei all der ernsten Politik, die hinter der Sammlung steckt, gibt es genügend Gründe zum Lächeln. Der persönliche Favorit des ORF-Moderators: Kondome. "Kondome finde ich am skurrilsten, weil ich mich immer frage, wie eine Partei dazu kommt, zu glauben, dass Menschen allen Ernstes in solchen Momenten an Parteipolitik denken wollen. Noch dazu stehen auf diesen Kondomen grauenhafte Sprüche, wie 'wenn es nicht hält, gibt es Kindergeld' oder 'Mehr öffentlicher Verkehr'. Das sind Witze, die einfach grausig sind und wirklich gar nicht in die Situation passen. Und deswegen sind Kondome wahnsinnig lustige Wahlgeschenke und ich sammle sie sehr gern", begründete der Journalist seine Freude an den extravaganten Verhütungsmitteln.

Auf die Frage, was sein Traum-Wahlkampfgeschenk wäre, antwortete er: "Was möglichst Absurdes! Ich freue mich über jedes Wahlgeschenk, das so blöd ist, dass ich selbst nie auf die Idee gekommen wäre, ein solches zu produzieren."

Vom Hobby zum Highlight

Die Ausstellung ist noch bis Sonntag im Treibhaus in Innsbruck zu sehen. Außerdem lassen sich einige Exponate auch im Wiener Parlament als kleine Dauerausstellung bestaunen, doch einen fixen Standort für die Sammlung gibt es noch nicht. "Ehrlicherweise bin ich überrascht, dass die Wahlgeschenke tatsächlich auf Interesse stoßen und dass tatsächlich Menschen hierherkommen wollen, um sich die Ausstellungsstücke anzuschauen. Ich dachte immer, dass die Sammlung ein Hobby ist, das ich halt pflege und über das ich hin und wieder auf Twitter (jetzt X) poste, aber dass sich wirklich Leute das anschauen wollen, freut mich sehr", sagt Thür. (Alicia Martin Gomez, 4.5.2024)