Matthew Perry bei einer Veranstaltung in Hollywood
Matthew Perry wurde durch seine Rolle als Chandler Bing in der Fernsehserie "Friends" bekannt, er wurde 54 Jahre alt.
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Ende Oktober wurde der Schauspieler Matthew Perry tot in seinem Whirlpool aufgefunden. Jetzt ist klar, dass sein Tod hauptsächlich auf die "akute Wirkung" von Ketamin zurückzuführen ist, so steht es im Autopsiebericht. Auch andere Medikamente und eine Herz-Kreislauf-Erkrankung haben dazu beigetragen, dass er ertrank. Perry hatte sein Leben lang mit Suchtproblemen gekämpft, sein Tod wurde als Unfall eingestuft.

Doch was ist Ketamin eigentlich? Ursprünglich wurde das Medikament in den 1960er Jahren als Narkosemittel entwickelt und später, während des Vietnamkriegs, häufig bei Operationen amerikanischer Soldaten eingesetzt. Später war das Mittel vielen hauptsächlich als Droge ein Begriff, bis heute wird Ketamin als Partydroge verwendet. Die Einnahme löst Halluzinationen und eine Verzerrung von Zeit und Raum aus. Bei höheren Dosierungen kann es zu Nahtoderlebnisse kommen.

Diese wahrnehmungsverändernde Wirkung ist der Grund, warum Ketamin über die Jahre auch bei der Behandlung von psychischen Erkrankungen eingesetzt wurde. Die möglichen positiven Wirkungen könnten insbesondere bei Depressionen rasch eine antidepressive Wirkung entfalten.

Rascher, aber kurzfristiger Erfolg

Das bestätigen mittlerweile zahlreiche wissenschaftliche Erhebungen, Forschende an der Universität Exeter in Großbritannien haben 83 Arbeiten zu dem Thema analysiert. Das Ergebnis: Das Mittel bringt vor allem in der Behandlung schwerer Depressionen und bipolarer Störungen Erfolge.

Eine Ketamintherapie kann Symptome von Depressionen und Suizidgedanken besonders rasch verringern. Bereits eine Stunde nach einer einzelnen Behandlung werden die Symptome weniger, der Effekt hält bis zu zwei Woche lang an, das zeigen die Untersuchungen. Das ist zwar kein besonders langfristiger Erfolg, aber durch die Behandlung wird quasi Zeit gewonnen, in der weitere therapeutische Maßnahmen gesetzt werden können.

In allen untersuchten Studien wurde die Verabreichung von Ketamin in sorgfältig kontrollierten klinischen Settings untersucht, in denen potenzielle Risiken sicher beherrscht werden konnten. Denn der Einsatz von Ketamin bei psychischen Erkrankungen ist mit Risiken verbunden.

Deshalb warnt die US-Arzneimittelbehörde FDA medizinisches Personal davor, psychische Erkrankungen eigenständig mit Ketamin-Basis-Mitteln zu behandeln. Der Wirkstoff ist nicht für die Selbsttherapie zugelassen und kann erhebliche Nebenwirkungen wie Schläfrigkeit, Veränderungen von Vitalwerten, Halluzinationen und psychische Abhängigkeit auslösen.

Mittel auf Ketamin-Basis, insbesondere Esketamin, sind für die Behandlung von Depressionen in chemisch aufbereiteter Form zugelassen. In den USA und Europa ist ein Nasenspray mit diesem Wirkstoff genehmigt, jedoch nur für die Notfallbehandlung von Patientinnen und Patienten mit schweren Depressionen, bei denen andere Therapien versagt haben.

Ketamin als Schmerzmittel

In erster Linie wird Ketamin allerdings zur Schmerztherapie eingesetzt, berichtet Wolfgang Schreiber, Chefarzt des Österreichischen Roten Kreuzes. Und zwar für besonders schmerzhafte Probleme, beispielsweise wenn sich jemand den Unterschenkel bricht und der Knochen möglicherweise sogar ein bisschen ums Eck steht. "Im Rettungsdienst wird in solchen Fällen das Ketamin als Schmerzmittel auf der einen Seite und ein Benzodiazepin als Beruhigungsmittel auf der anderen Seite verabreicht. Das ist eine gängige Kombination, damit dem Patient oder der Patientin bei diesem Akt der Repositionierung, also dem Wieder-Geradestellen des Bruchs, keine Schmerzen zugefügt werden", erklärt Schreiber.

Ketamin finde man deshalb in jedem Notarztrettungsmittel, und es werde auch "durchaus häufig" eingesetzt. Das liegt auch daran, weil Ketamin eine große therapeutische Breite hat, also bei unterschiedlichen Beschwerden eine gute Wirkung zeigt. "Außerdem ist das Risiko, einen Menschen mit Ketamin überzudosieren, nicht sehr groß", sagt Schreiber. Es handelt sich dabei um eine Flüssigkeit in Ampullen, die in der Regel über die Vene verabreicht wird. Aber auch über die Nasenschleimhaut kann Ketamin gut aufgenommen werden, daher wird es vor allem bei Kindern auch nasal verabreicht.

Im Krankenhaus wird Ketamin auch zur Narkoseeinleitung verwendet. Es dockt dann bei Einnahme an Rezeptoren im Gehirn an, führt rasch zu Schmerzlinderung und sorgt dafür, dass man einschläft. "Dabei hat es auf den Blutdruck im Vergleich zu anderen Arzneimitteln nur einen sehr geringen negativen Einfluss", sagt Schreiber.

In den USA wird Ketamin zudem auch immer öfter "off label", also ohne offizielle Zulassung, zur Therapie von verschiedenen psychischen Erkrankungen, darunter Depressionen, Angststörungen und posttraumatischen Belastungsstörungen, eingesetzt. Dies birgt erhebliche Risiken, da solche Mittel teilweise im Netz vertrieben und zur Selbstmedikation beworben werden.

Hohe Ketamin-Konzentration bei Perry

Matthew Perry erhielt laut Autopsiebericht therapeutische Ketamin-Infusionen. Die Menge im Körper nach seinem Tod konnte jedoch nicht allein durch diese Behandlungen erklärt werden. Die letzte Ketamin-Kehandlung hatte Perry bereits eineinhalb Wochen vor seinem Tod.

Die hohe Ketamin-Konzentrationen nach seinem Tod könnte auf kardiovaskuläre Überstimulation und Herabsetzung der Atmung als Haupttodesursachen hindeuten. Die gefundene Menge entsprach etwa der Konzentration, die für eine Vollnarkose verwendet wird. (Magdalena Pötsch, 19.12.2023)