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Rom - Die Namen Franco Lucentini und Carlo Fruttero sind
seit 30 Jahren ein Markenzeichen für meisterhafte italienische
Kriminalliteratur. Die beiden Autoren, die seit ihrem 1972
entstandenen Erstlingswerk "Die Sonntagfrau" fast ausschließlich zu
zweit Bücher verfassten, galten trotz ihrer charakterlichen
Gegensätzlichkeit als unzertrennlich. Am Montag hat sich Franco
Lucentini nach langer Krankheit im Alter von 81 Jahren in Turin das
Leben genommen. "Das Leben selbst ist wie ein Kriminalroman", hatte
der Schriftsteller und Journalist einmal gesagt.
Gegner des faschistischen Regimes
Lucentini, der als Gegner des faschistischen Regimes bereits eine
Haftstrafe verbüßt hatte und anschließend ins Ausland übersiedelte,
traf den sechs Jahre jüngeren Fruttero Ende der 50er Jahre in Paris.
Der eine arbeitete dort als Lektor für das Turiner Verlagshaus
Einaudi, der andere als Übersetzer von Samuel Beckett. Schnell
entdeckten sie ihre Vorliebe für vertrackte, ausgeklügelte
Kriminalromane, die sie ab 1972 "vierhändig" verfassten.
Satire über Gaddafi
Gemeinsam erdachten sie auch eine Satire über den libyschen
Staatschef Gaddafi, die ungeahnte Folgen hatte: Der Libyer drohte
wütend mit dem Abbruch jeglicher Wirtschaftsbeziehungen zu Italien,
was nicht nur eine diplomatische Krise auslöste, sondern den Autoren
auch zu unerwartet schnellem Ruhm verhalf.
Sich gegenseitig kritisch auf die Finger schauen
Jahrelang haben Bücherfreunde gerätselt, wie Fruttero & Lucentini
gemeinsam so gut schreiben konnten. "Dass wir zu zweit ans Werk
gehen, schließt uns in den Augen vieler italienischer Kritiker und
Professoren von der Kunst aus", hatte der gebürtige Römer Lucentini
selbst einmal eingeräumt. "Jedoch sackt man so nicht ins
Autobiografische ab, sondern bewahrt Distanz. Wir schauen uns
gegenseitig kritisch auf die Finger", fügte Fruttero hinzu.
Knappheit trifft Opulenz
Obwohl beide als gleichermaßen distinguierte und äußerst
geistreiche Herren galten, waren sie doch sehr verschieden.
Lucentini, der Philosophie studierte, war ein Freund knapper
Formulierungen und arbeitete in seiner Turiner Wohnung an einer
Reiseschreibmaschine. Fruttero liebt hingegen opulente Sätze und
detailreiche Schilderungen, die er im Tresorraum einer Bank zu Papier
brachte. Nachdem die Grundidee für einen Roman feststand, arbeitete
das Duo stets gleichzeitig an denselben Kapiteln, die sie
anschließend austauschten, korrigierten und diskutierten.
Kriminalistische Delikatessen
So entstanden schaurig-schöne, teils bizarre, aber stets
intelligente Krimis und Gesellschaftsromane. "Nur Umberto Eco und Fruttero & Lucentini sind heute
noch eine Garantie für Romane, die man in einem Zug ausliest",
schwärmten Literaturfreunde. Kriminalistische Delikatessen wie "Wie weit ist die Nacht" (1981),
"Palio der toten Reiter" (1986) oder "Das Geheimnis der Pineta"
(1993) fanden eine große Fan-Gemeinde. Mit "Du bist so blass" (1987)
lieferten Fruttero & Lucentini eine meisterhafte kleine Etüde ab, in
der sie die italienische High-Society-Kultur witzig und boshaft unter
die Lupe nahmen.
Sarkastisches Feuilleton über George Bush
Franco Lucentini war trotz seines Lungenkrebses bis zuletzt
journalistisch tätig. Noch im Juli hatte er - wiederum gemeinsam mit
Carlo Fruttero - für die Turiner Zeitung "La Stampa" ein
sarkastisches Feuilleton über US-Präsident Bush und die
Terroranschläge vom 11. September geschrieben. "Die Horizonte für
Liebenswürdigkeit werden immer kleiner in diesem gerade angebrochenen
dritten Jahrtausend", schloss das Duo seine spitze Amerika-Analyse. (APA/dpa)