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Gerhard Schröder gegen Edmund Stoiber live, das soll die Wahlen entscheiden

Montage: derstandard.at/Foto: Reuters/Bensch

Jeweils maximal neunzig Sekunden haben Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) und der Kanzlerkandidat der Unionsparteien CDU/CSU, Edmund Stoiber, Zeit, um eine Frage zu beantworten. Maximal zweimal 60 Sekunden sind für Nachfragen vorgeshen. Pro Thema wurden sieben Minuten veranschlagt. Auch für die Zuschauer sichtbar läuft eine Uhr mit – bei Zeitüberschreitung leuchtet ein rotes Lamperl auf.

Schon vor dem ersten Aufeinandertreffen von Herausforderer und Verteidiger gab es einen Schlagabtausch der Berater: Schröders Sprecher Uwe-Karsten Heye befand das Münzwurfverfahren zur Feststellung, wer die erste Frage beantworten soll, für unwürdig. Deshalb, so unterbreitete Heye schriftlich, lasse Schröder dem Kanzlerkandidaten der Union die Beantwortung der ersten Frage. Das Kalkül dabei: Dann käme dem Bundeskanzler das gewichtige letzte Wort zu. Die Gegenseite, Stoibers Medienberater Michael Spreng, lehnte aus eben diesem Grund ab.

Am Donnerstagabend einigte man sich bei der letzten Besichtigung im Studio Berlin- Adlershof auf letzte Details: Schröder bekommt bei der ersten Debatte am Sonntag, die von RTL und Sat.1 die erste Frage gestellt, Stoiber darf die letzte Antwort geben. Am 8. September, bei der zweiten Begegnung bei ARD und ZDF, ist es umgekehrt. Dass er das Schlusswort bei der letzten TV-Debatte zwei Wochen vor dem Wahltermin bekommt, genau das soll Schröder bezweckt haben.

Weil nach dem letzten, sehr konfrontativen Printduell für Süddeutsche Zeitung und Welt – das Österreich-exklusiv DER STANDARD (Teil I:Kanzler(kandidat) gegen Kanzlerkandidat;Teil II: Ein harter Streit über Reformen) publiziert hat – erwartet wird, dass die beiden Politiker verbal aufeinander losgehen, wurde ein kampferprobter Regisseur engagiert: Regisseur Volker Weicker ist vor allem für seine spektakulär inszenierten Boxkampfübertragungen bekannt. Die Rolle der Schiedsrichter übernehmen RTL-Anchorman Peter Kloeppel und der Leiter der Sat.1-Parlamentsredaktion, Peter Limbourg, beide erfahrene Journalisten.

Wie sich die beiden Kontrahenten auf die Duelle vorbereiten, gilt als Staatsgeheimnis. "Was ich ihm zu sagen habe, sage ich ihm persönlich", blockt Stoibers Medienberater Spreng ab. Immerhin hat er es nach Meinung von Beobachtern schon geschafft, dass Stoiber vor Fernsehkameras seine legendären Bandwurmsätze etwas abkürzt sowie Ähs und Öhs – die im Printduell gestrichen werden durften – reduziert. Aber vielen ist noch Stoibers erster TV-Soloauftritt als Kanzlerkandidat in der ARD-Talkshow vor drei Monaten in Erinnerung. Damals verhaspelte sich Stoiber ständig und sprach die Moderatorin Sabine Christiansen sogar als "Frau Merkel" an. Seither ist er nicht mehr alleine in einer Talkshow aufgetreten.

Seine Vertrauten bauen schon vor. Bayerns Innenminister Günther Beckstein sagte zum STANDARD: "Die entscheidende Aufgabe eines Kanzlers ist nicht, dass er in den Talkshows gut ist, sondern er muss gut arbeiten können." Und er hat auch gleich die Zukunftsperspektiven für Schröder im Auge: "Schröder ist ein geeigneter Nachfolger für Alfred Biolek. Das ist Stoiber sicher nicht." Der sanfte ARD-Abendplauderer Biolek hat gerade seinen Rückzug vom Bildschirm bekannt gegeben.

Während im Stoiber-Lager eine gewisse Nervosität vor dem TV-Duell nicht bestritten wird, gibt sich Schröder ganz gelassen. Natürlich erwarte er sich von dem TV-Duell Bewegung, die sich in Wählerstimmen zeige: "Deshalb machen wir das ja".

Aber nach Meinung von Wahlberatern aus den USA sollte er sich nicht zu früh freuen. "Spindoctors" sowohl der Demokraten als auch der Republikaner erklärten vor kurzem bei einer Veranstaltung in Berlin, dass es bei den TV-Duellen eigentlich nur einen Sieger geben könne: Edmund Stoiber.

Da die allgemeine Erwartungshaltung sei, dass Schröder im TV stets gut wirke, Stoiber aber nicht, werde es niemanden überraschen, wenn genau dies eintrete. Sollte sich aber Stoiber gut schlagen, sei er der Gewinner. (DER STANDARD, Printausgabe, 24./25.8.2002)