Die militärische Beistandspflicht in der EU wird kommen - zumindest als Option für die Staaten, die es wollen. In Österreich sprechen sich Bundespräsident und Außenministerin in diesen Tagen nur einmal mehr für etwas aus, das Deutschland und Frankreich vor zwei Wochen mit Nachdruck gemeinsam in die gesamteuropäische Zukunftsdebatte eingebracht haben. Das auf den ersten Blick Kuriose ist: Die Regierungspartei des auf dem Papier neutralen Österreich meint, ihr Land solle zu einer künftigen "Euro-Defence-Zone" gehören. Die Regierung des militärisch potenten US-Kampfgefährten Großbritannien aber ist mehr als skeptisch.Diese Skepsis hat mit der Nato zu tun - und mit der Machtbalance innerhalb der EU. Daher hatte London auch gleich auf das deutsch-französische EU-Militärpapier reagiert und seinen entsprechenden Beitrag für die EU-Reformdebatte verschickt. Tenor: Alles ganz nett, aber für die Briten wird es niemals eine EU-Verteidigungsunion auf Kosten der Nato geben. Damit sind nun die Fronten klar: Die britisch-französische Entente von St.-Malo von 1998, bei der London und Paris der EU-Verteidigungspolitik den entscheidenden Anstoß gaben, ist entzwei. Stattdessen will Paris nun mit den wiederentdeckten Freunden in Berlin den EU-Geleitzug zu ganz neuen Bündnisufern führen, um nebenbei das eigene Gewicht gegenüber den USA und in der EU zu stärken - neue Perspektiven für einen alten gaullistischen Traum. Die Briten hatten in St.-Malo anderes im Sinn: Nur wenn die EU-Europäer endlich militärische und rüstungstechnische Synergien fänden, würde der europäische Pfeiler der Nato von den USA künftig noch ernst genommen. Bündnispolitisch sind Londons Sorgen übertrieben: Auch die alte Westeuropäische Union kannte die Beistandspflicht, wurde aber nie der Nato gefährlich. Was Tony Blair fürchten muss: einen neuen deutsch-französischen EU-Integrationsschub. (DER STANDARD, Printausgabe, 5.12.2002)