Gottfried Bechtold, "Unser Mann".

Foto: Hochdörfer

Wien - Mit grüner Kappe und Anorak strahlte er 1996 von einer ganzen Doppelseite der Vorarlberger Nachrichten. Die Aufschrift "Unser Mann" und das Logo der Österreichischen Volkspartei ergänzte das lachende Konterfei - eine Aktion des Konzept- und Medienkünstlers Gottfried Bechtold im Rahmen der Landtagswahlen.

Sicher hätte es damals empörte Reaktionen gegeben, erzählt Bechtold. Konsequenzen hatte das für die Tageszeitung mit einem Marktanteil von zirka 70 Prozent freilich nicht. Ein rares Beispiel dafür das auch ein Medienmonopol einmal für etwas gut sein kann: Denn die Aktion sorgte damals nicht nur für  Verwirrung im Wahlkampf, sondern gab letztendlich auch den Auftakt zum politischen Diskurs. Damit aber nicht genug: Dasselbe Sujet mit wechselnden Parteilogos präsentierte Bechtold auch in seinem Terminal, jenem Glaskasten am Bregenzer Leutbühel, den er von 1991 bis 2003 immer wieder für kleine, irritierende Projekte nutzte. Die delikate Abbildung von Jeff Koons (aus dessen Serie Made in Heaven), die er dort 2001, parallel zur Kunsthaus-Personale von Koons zeigte, sorgte nicht nur für allerlei Erregung, sondern brachte Bechtold ein nach Monaten letztendlich eingestelltes Verfahren wegen des Verstoßes gegen das Pornographiegesetz ein.

Am Montag startete nun die adaptierte Neuauflage des Projekts Unser Mann, das auf "den Blödsinn der Wahlwerbung" und die "Nivellierung von Ideologien" aufmerksam machen will. Unverbindlich lächelt Politmodel Bechtold - diesmal ganz Funktionär, in Hemd und Krawatte - den täglich etwa 50 bis 60.000 passierenden Autofahrern entgegen: Auf der Vorderseite der Affiche für Partei A, auf der Rückseite für Partei B und zur Mitte der Woche hin womöglich als Spitzenkandidat einer ganz anderen politischen Couleur. Als eine "Affekt-Massage, die Repräsentation vor Inhalte" stellt, charakterisiert Gerald Matt, neben Kunsthallendirektor auch Geschäftsführer der KöR (Kunst im öffentlichen Raum Wien), die Ähnlichkeiten von Kunst- und Politkampagne. Bechtolds Arbeit schaffe es, "noch weniger Information als die anderen Plakate" zu vermitteln, staunt er lachend. Am besten beschreibe die Tautologie "hohle Hülsen" die Politikerfloskeln, meint Bechtold, dessen Arbeit nur eine kleinen Verschiebung der banalen alltäglichen Welt sei. Dass man die Arbeit kaum als Kunstwerk erkennt, gefalle ihm besonders gut. Und für den Klau der Parteilogos hat Bechtold nur ein Schulterzucken übrig:"Als Künstler verwende ich diese Parteilogos mit der gleichen Selbstverständlichkeit, wie Politiker Künstler wie Klimt, Schiele oder Kokoschka verwenden, ohne jemals ein Verdienst dafür geleistet zu haben." Bisher sind offizielle Reaktionen der Parteien ausgeblieben.

Christoph Chorherr (Grüne), der ebendort eine Stunde später die Sieger eines Wahlplakate-Bewerbs vorstellte, war zunächst etwas perplex, als DER STANDARD ihm den "grünen" Spitzenkandidaten vorstellte. Das Projekt erscheine ihm "richtig und doch falsch, weil es die Illusion gibt, dass es auf Plakaten viel Inhalte zu transportieren gäbe", so Chorherr. Damit gab der Wiener Gemeinderat Meinungsforschern wie Ifes oder Werner Ulram Fessel & Gfk Recht, der kürzlich Plakate als das "mit Abstand ineffizienteste Mittel" zur Wahlwerbung bezeichnet hatte. Ihr Informationsgehalt gehe "tendenziell gegen Null und würde wenig wahrgenommen", meinte Ulram. In seiner Internet-Initiative, die - wie Chorherr einräumt -im Vergleich zu herkömmlichen Plakatkampagnen "zehntausende Euros" gespart hat, würde es eben nicht nur um die Inhalte gehen, sondern auch um die Diskussion, lenkt der Politiker abschließend ein. (Anne Katrin Feßler, Langfassung eines Berichts erschienen in DER STANDARD, Printausgabe, 27.8.2008)