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Orthodoxes Oberhaupt Staikos: "Wir Minderheiten werden nicht immer gleich behandelt"

REUTERS/Herbert Neubauer

Die Debatte um die Islam-Lehrer wirft die Frage auf, wie es um andere Religionen bestellt ist. "Wir möchten den Kindern zeigen, dass man integriert sein und zugleich die religiöse und nationale Identität bewahren kann", sagt Michael Staikos, Metropolit (etwa analog zu einem Erzbischof) der griechisch-orthodoxen Kirche in Wien und Repräsentant der rund 500.000 Orthodoxen in Österreich, gegenüber derStandard.at. Über den "Zündstoff" von Papstaussagen, die Deutschkenntnisse bei orthodoxen Religionslehrern und Kirchen, die lernen mussten was Fanatismus bedeutet, sprach er mit Lukas Kapeller.

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derStandard.at: Der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde, Ariel Muzicant, hat sich am Freitag hinter die Islam-Lehrer gestellt. Er sagte, keine Religionsgemeinschaft sei vor Extremismus gefeit. Hat er Recht?

Staikos: Ja, sicher. Alle Kirchen haben lernen müssen, was Fanatismus bedeutet. Und alle Kirchen müssen hier ihre eigene Lösung finden. Krisen gibt es aber unabhängig vom Religionsunterricht.

derStandard.at: Auch wenn keine Religion Fundamentalismus ausschließen kann: In Österreich - jüngst durch die Dissertation des Islamwissenschaftlers Mouhanad Khorchide - und auch in anderen europäischen Ländern kreist die Wertediskussion meist um die Muslime. Sind Islam und Demokratie ein Widerspruch?

Staikos: Ich will es nicht glauben, dass es so ist. Ich kenne viele Moslems, die gut integriert sind. Bis vor zwei Jahrzehnten gab es im ehemaligen Jugoslawien doch einen europäischen Islam. Die Moslems dort waren voll integriert in die jugoslawische Gesellschaft. Wenn wir von einem großen kulturellen Verlust durch den Jugoslawien-Krieg reden können, dann war es, dass der europäische Islam unterging. Der ist heute in Bosnien-Herzegowina nicht mehr derselbe. Heute ist dieser Islam von den islamischen Ländern geprägt.

derStandard.at: Kultusgemeinde-Präsident Muzicant fordert einheitliche Standards für alle Religionspädagogen. Werden Sie ihn dabei unterstützen?

Staikos: Ja, ich will nur nicht, dass nur aufgrund der Aussage eines bestimmten Lehrers eine Debatte über den gesamten Religionsunterricht in ganz Österreich losbricht. Ich möchte nicht, dass alle Kirchen und Religionen in einen Topf geworfen werden. Aber: Wenn wir als orthodoxe Minderheit für uns Rechte verlangen, bedeutet das gleichzeitig, dass wir Pflichten gegenüber dem Staat haben.

derStandard.at: Fühlen Sie sich als Minderheit immer gerecht behandelt?

Staikos: Zunächst sind wir Österreich zu großer Dankbarkeit verpflichtet. Wir Minderheiten wurden allerdings nicht immer gleich behandelt. Wir haben als Orthodoxe um den Posten eines Fachinspektors drei Jahre gekämpft, bis wir ihn 2004 bekamen. Die frühere Unterrichtsministerin (Elisabeth Gehrer, ÖVP, Anm.) hat aber während eines Treffens der Imame in Europa aus der Tasche und nach freiem Willen acht Posten für Fachinspektoren einfach hergeschenkt. Ist das eine Gleichbehandlung? Man hätte vergleichen müssen, und nicht alles nur der einen Seite geben, nur weil wir Christen nicht dieselbe Vorgangsweise wie andere Religionen haben, uns aufzudrängen und wichtig zu machen. Und ich meine in diesem Fall nicht das Judentum.

derStandard.at: Seit 1992 gibt es in Österreich orthodoxen Religionsunterricht: für Serben, Griechen, Rumänen, Russen, Bulgaren und andere Landsleute. Steht der orthodoxe Religionsunterricht vor ähnlichen Herausforderungen wie der Islam?

Staikos: Wir sind eine Kirche. Wo ist das Problem? Die Herkunft hat mit dem Glauben nichts zu tun. Es gibt eine orthodoxe Kirche. Wenn die deutsche Sprache der gemeinsame Nenner ist, gibt es kein Problem. Ein griechischer Religionslehrer unterrichtet zum Beispiel serbische Kinder. Der Lehrplan ist auf Deutsch. Es ist ein kleiner Prozentsatz der orthodoxen Kinder, die den Religionsunterricht besuchen, denn deren Eltern kommen aus kommunistischen und atheistischen Ländern. Ihre Einstellung ist eine ganz andere, als das bei anderen Religionen ist.

derStandard.at: Der Schulamtsleiter der orthodoxen Kirche, Branislav Djukaric, sagt, dass es früher Probleme bei der Qualifikation der Pädagogen gab. Sehen Sie heute noch Aufholbedarf bei der Lehrerausbildung?

Staikos: Bei manchen Lehrern ja. Manche brauchen ein noch höheres Niveau. Aber wo kann man schon sagen, eine Sache sei abgeschlossen.

derStandard.at: Ein wichtiges Kriterium sind Sprachkenntnisse.

Staikos: Was die Deutschkenntnisse betrifft: Es gibt konkrete Fälle, wo das Deutsch noch zu wünschen übrig lässt. Es ist aber nicht das Hauptproblem. Was derzeit über Neuerungen im Religionsunterricht diskutiert wird: Wir wollen das. Wenn ein Schuldirektor die Meinung hat, dass der Lehrer nicht den Forderungen entspricht, dann muss er von der Schule gehen.
Es gibt bestimmte Voraussetzungen, und eine davon ist, dass die Sprache für den Religionsunterricht Deutsch ist. Wer es machen kann, bleibt dabei, wer nicht, der nicht.

derStandard.at: Die Kirchlich Pädagogische Hochschule Wien/Krems bildet christliche Lehrer der verschiedenen Religionsgemeinschaften zusammen aus. Warum gibt es eine solche Einrichtung nur in Österreich?

Staikos: Eine so gute ökumenische Situation wie in Österreich gibt es in keinem anderen europäischen Land. Wir bilden hier katholische, evangelische, orthodoxe und altkatholische Relgionslehrer gemeinsam aus. Getrennt ist nur das konfessionell Spezifische. Das heißt: orthodoxe Kirchengeschichte, orthodoxes Kirchenrecht, orthodoxe Kirchenmusik. Das sind Fächer, die wirklich nur die orthodoxen Religionslehrer beschäftigen sollen. Aber wie der orthodoxe Theologe denkt, das können wir auch den Nicht-Orthodoxen vermitteln.

derStandard.at: Sie gelten als entschiedener Befürworter der Ökumene. Was muss Ökumene heute bedeuten?

Staikos: Ökumene ist eine Notwendigkeit. Es gibt keine Alternative zum Dialog zwischen den Kirchen. Ich vertrete nicht die Ansicht, dass die Vielfalt der Kirchen ein Segen für die Kirche ist. Denn die Kirchen sind nicht entstanden, damit wir eine Vielfalt haben, sondern durch Spaltungen und Trennungen. Wir haben die Pflicht, und zwar nicht nur gegenüber Gott, sondern auch den Menschen, die ökumenische Bewegung voranzutreiben bis zur kirchlichen Einheit. Aber so wie es im ersten Jahrtausend gewesen ist, damit kein falscher Eindruck entsteht. Ich meine nicht eine gemeinsame Kirche unter dem Papst.

derStandard.at: Gerade unter dem Pontifikat Benedikts XVI. betont der Vatikan aber wieder die Sonderstellung der katholischen Kirche gegenüber Protestanten und Orthodoxen. Auch Teile des Islam und des Judentums fühlten sich bereits durch Äußerungen des Papstes brüskiert. Schmerzt das als Fürsprecher der Ökumene?

Staikos: Solche Ereignisse möchte ich nicht beurteilen. Es sind jedenfalls Ereignisse, die viel Zündstoff geben. Sie sind für mich ein Anlass, daran zu denken, wie notwendig der Dialog ist. In diesem Dialog soll es nicht Gewinner und Verlierer zwischen Konservativen und Progressiven geben. Die katholische Kirche ist die größte Kirche und hat eine Weltdimension. Manchmal ist es von einem Zentrum aus schwer, die Perspektive eines anderen zu verstehen. (derStandard.at, 26.2.2009)