Bacher: Wrabetz sei "ausgesprochen sympathisch, aber davon wird der ORF nicht gesünder".

Fotos: derStandard.at/Bürger

Wrabetz: Muss Bachers ORF-Wirken "ausbaden"

Fotos: derStandard.at/Bürger

"Club 2" zum ORF am Mittwoch Abend: Wrabetz, Bacher, Peter Huemer (SOS ORF), Pirker.

Foto: fid

"Es ist kein Vergnügen, Alexander Wrabetz zu sagen, dass er eine Niete ist": Gerd Bacher, längstdienender Generaldirektor des ORF, wärmte im Architekturzentrum für den "Club 2" auf, vor der Debatte übers ORF-Zentrum, mehr dazu hier.

Aber erst durfte sich ORF-Chef Wrabetz zehn Minuten im "Club 2" erklären: Immerhin Marktführer in TV, Radio und Internet, unabhängige Information, keine Schulden, sagt er. Aber die Werbung bricht ein. Die Wirtschaftskrise verschärfe das Problem. Jetzt brauche der ORF tiefe strukturelle Maßnahmen. Ein Konkurs in zwei, drei Jahren „wird nicht der Fall sein". Maßnahmen "in einer Härte und Schärfe" wie nie stünden an.

"In wenigen Jahren pleite"

Dann holte Bacher zur Abrechnung aus: "Viele gute Vorschläge viel zu spät." Wrabetz sei "ausgesprochen sympathisch, aber davon wird der ORF nicht gesünder". Der befinde sich in seiner schwersten Existenzkrise seit den 1960-er Jahre. Der Altgeneral: "In Wirklichkeit ist der ORF ein Sanierungsfall und in wenigen Jahren pleite, wenn nicht einschneidende Maßnahmen ergriffen werden." Dann drohe ihm der Verkauf an Krone, Raiffeisen, deutsche Konzerne, eine kulturpolitische Schande.

Bacher geißelte:

  • "Unverschämte Einmischung der Bundes- und Landesregierungen", "Parteigünstlinge in Führungpositionen".
  • Die Misere liege an Wrabetz' Führungsschwäche, ihm fehle Durchschlagskraft, Entscheidungsfreude. Er sei kein Programmmann, liefere "nur zögernd Strategien", "viele trauen ihm die härte zur Umsetzung nicht zu". Auf dem Küniglberg sehe er "eine tief verstörte Gemeinschaft".
  • Wrabetz habe sich "von den Parteien die schlechteste Mannschaft aufs Auge drücken lasen, die der ORF je hatte". Aber: Infodirektor Elmar Oberhauser und Team sorgten für Unabhängigkeit.
  • Wrabetz' "Programmreform ein kläglicher Flop".
  • Wrabetz versuche "zu spät, die Talfahrt zu stoppen".

  • Der Betriebsrat sehe "nicht ein, dass der ORF radikal abgeschlankt werden muss".

  • Die Politik habe "keine Ahnung" vom ORF. Die Koalition von SPÖ und ÖVP zeige eine gewisse "Kolonisierungstendenz" im ORF. Die diskutierten Nachfolger lasse ihn den Kopf schütteln: "Ehrenwerte Menschen, aber die für einen Generalintedanten so geeignet wären, wie wenn ich mich in der preußischen Armee für die 'langen Kerle' gemeldet hätte." Die Politik bewerte "den ORF nur nach dem Nützlichkeitsstandpunkt". 

Wrabetz: Muss Bachers ORF-Wirken "ausbaden"

Wrabetz revanchierte sich mit Hinweisen auf Benefits der ORF-Belegschaft, die Bacher in der öffentlich-rechtlichen Anstalt eingeführt habe. Bacher geißle rituell all seine Nachfolger. Ironisch: "So gut wie Sie wird das nie jemand können." Er, Wrabetz, müsse diese Vergangenheit Bachers "ausbaden". Der Marktanteil des ORF etwa habe am stärksten 1990 bis 1994 verloren, also unter Bachers letzter Amtszeit, als der Kabelempfang stark zugenommen habe, sagte Wrabetz.

Horst Pirker, Vorstandschef der Styria Medien AG und Präsident des Zeitungsverbands, wiederholte seine Doktrin: Der ORF und seine Gebührenfinanzierung habe dort seine Berechtigung, wo der ORF öffentlich-rechtliches Programm liefere. Also jenes Programm, für das Private, der Markt nicht sorgten, oder nicht in dieser Qualität. Zudem findet Pirker Gebührenfunk berechtigt, wo er österreichische Inhalte transportiere - angesichts des großen gleichsprachigen Nachbarn. Den ORF aber gefährde seine "Selbstüberschätzung, allen alles zu sein".

Pirker: ORF-Belegschaft halbieren

"Redimensionierung steht an", findet Pirker, "Verkleinerung also". Wie klein? "Personell gesehen eine Halbierung wird ungefähr passen", sagt der Printkonzernchef. "Das geht nicht mit Homöopathie, wer hier nicht Klartext spricht, gefährdet den ORF." Die Hälfte des Personals reicht aus seiner Sicht, um die bestehenden Kanäle inklusive ORF 1 und Ö3 zu bespielen, aber tatsächlich öffentlich-rechtlich. Pirker: "Ich würde wirklich darum kämpfen, dass der ORF über mehrere Kanäle spielt. Es geht nicht darum, schließen wir ORF 1 oder verkaufen wir Ö3, sondern formatieren wir all diese bestehenden Kanäle öffentlich-rechtlich." Das aber mit "neuer Produktivität". Die Gebührenanteile von Bund und Ländern sollten dem ORF zufließen. Pirkers Styria ist an mehreren Privatradios und Sat.1 Österreich beteiligt.

Wrabetz widersprach der Idee von gleich vielen Kanälen mit halb soviel Personal: "50 Prozent ist eine Illusion."

Pirkers Befürchtung: "Die Regierung räumt die amtierende Geschäftsführung weg, alles bleibt im ORF beim Alten, der neue Generaldirektor bekommt aber als Morgengabe 30, 40, 50 Millionen Euro. Dann wird die Katastrophe in drei, in fünf Jahren noch größer. Dann explodiert das auf Nimmerwiedersehen." 

"Bacher hat man nie gesagt, er kann's nicht"

PS: Moderator Rudolf Nagiller fragte ORF-Chef Wrabetz gegen Schluss noch, wie er aushält, dass manche ihm Unfähigkeit attestieren: "Bacher hat man nie gesagt, er kanns nicht. Bei ihm hat man gesagt: Er dreht durch." Wrabetz wiederholte, er habe sich in seinen zehn ORF-Jahren an An- und Untergriffe gewöhnt. Er schöpfe aus den Erfolgen des Unternehmens Kraft - und verwies noch einmal auf die Marktführerschaft in TV, Radio und Internet. (Harald Fidler, DER STANDARD; Printausgabe, 26.3.2009, online ergänzt)