Doneis: "Graz und Salzburg zählen neben Linz zu den sogenannten Hotspots."

Fotos: Ballesterer/Daniel Shake

"Wenn man zehn Jahre am Karlsplatz gearbeitet hat, ist »Scheiß Kiberer« noch das Netteste, was man zu hören bekommt."

Fotos: Ballesterer/Daniel Shake

Inhalte des ballesterer Nr. 41 (April 2009) - Ab sofort österreichweit im Zeitschriftenhandel:

 

Schwerpunkt: AUSWÄRTSSPIEL


Ried At Heart
Nach Graz und retour mit den Rieder Glory Boys


Warum geht auswärts nichts?
Der Heimvorteil - eine Annäherung aus Wissenschaft und Praxis

 

Die Fanfahrer
Warum gescheite Buschauffeure Kaffee statt Red Bull trinken

 

Traurige Gastlichkeit
Die unnötigsten Auswärtssektoren von Mattersburg bis Innsbruck

 

Dr. Pennwiesers Notfallambulanz
Die Reisekrankheit



Außerdem in der neuen ballesterer-Ausgabe:


Im Brennpunkt der Konflikte
Kameruns Fußball fehlen die Zukunftsperspektiven

 

»Der Fußball hat unsere Welt verändert«
Afrikas Jahrhundertfußballer Roger Milla im Interview


Lebensschule Krautacker
Auf den Potreros Argentiniens ist nicht nur Ballbeherrschung gefragt

 

Integrationsmusterknabe
Grasshoppers-Neuzugang Roland Linz im Interview

 

Es war einmal in Valencia
Vergangenheitsbewältigung einer Augenzeugin des 0:9


Laut, lauter - Stoke!
Singen die Fans die »Potters« zum Klassenerhalt?


Mit Gottes Hilfe und Rogers Segen
Polens Kirche will Rassismus mit »Fußball-Katechesen« begegnen

 

Fußball unterm Hakenkreuz
Teil 21: Im Exil in Schanghai

 

ballesterer-Barometer
Kärnten Special: Anstoßen mit Wahlgewinner Canori

 

Groundhopping:
»O Derbi«-Time in Lissabon und Karnevalsstreit bei Palmeiras


*****

 

AUSWÄRTSPARTY!
ballesterer meets THE MESSAGE
Sa., 11. April 2009
ROXY (Faulmanngasse 4, 1040 Wien)
DJs: Chrisfader (FK MESSAGE) & DBH (ballesterer)
Ab 23 Uhr

ballesterer: Wie läuft eine typische Auswärtsfahrt für einen Szenekundigen Beamten ab? Wann beginnt die Vorbereitung, und wer ist eingebunden?
Christian Doneis: Die Vorbereitung beginnt bereits eine Woche vor dem Match. Es wird abgeklärt, mit welcher Anzahl an Auswärtsfans in wie vielen Bussen zu rechnen ist. Das geschieht in intensivem Kontakt mit den Vereinen und den Szenekundigen Beamten des anderen Klubs. Am Spieltag sind wir eineinhalb Stunden, bevor die Busse losfahren, präsent, um uns einen Einblick in die Vorbereitungen der Fans und deren Stimmung zu verschaffen. Nach der Abfahrt werden die Busse mit den sogenannten Problemfans von uns begleitet.

ballesterer: Wie funktioniert die Kommunikation innerhalb der Polizei?
Christian Doneis: Die zentrale Planung liegt bei der OEA (Organisationseinheit für Einsätze, Anm.), zu der auch wir als Szenekundige Beamte zählen, und dem Büro der SKB. Zunächst geht es darum, die Kommandanten der Kollegen, die ja nicht hauptberuflich als Szenekundige Beamte arbeiten, sondern unter der Woche ihren normalen polizeilichen Dienst versehen, zu informieren, wie viele Leute wir brauchen.

ballesterer: Wie groß ist das SKB-Team, wenn Sie mit Rapid nach Graz oder Salzburg fahren?
Christian Doneis: Graz und Salzburg zählen neben Linz zu den sogenannten Hotspots, und gerade bei diesen Spielen reizen wir unser Kontingent voll aus. Das heißt, es sind acht bis zehn Kollegen dabei, und diese Anzahl wird auch benötigt.

ballesterer: Was ist Ihr bevorzugtes Transportmittel?
Christian Doneis: Generell bevorzuge ich den Bus, nur nach Altach ist mir die Bahn lieber. Wir sind alles in allem 26 Stunden unterwegs, da ist ein bisschen mehr Bewegungsfreiheit angenehm.

ballesterer: Besteht bei einer Auswärtsfahrt direkter Kontakt zum Einsatzleiter vor Ort?
Christian Doneis: Ja, obwohl es nicht in erster Linie um den Einsatzleiter geht. Jedem SKB-Team steht ein leitender Beamter vor, der dem Einsatzleiter die Informationen weitergibt. Der leitende SKB-Beamte wird im Vorfeld bestimmt, dann werden Rufnummern ausgetauscht, um den Kommunikationsablauf sicherzustellen.

ballesterer: Inwiefern können Sie Einfluss auf den Einsatz der Kollegen nehmen? Sind Ihnen bei einer unvorhergesehenen Eskalation die Hände gebunden?
Christian Doneis: Hier sind wir gerade dabei, die Strukturen zu verändern. Unser Entscheidungsgewicht im Einsatz soll gestärkt werden. In gewissen Situationen kann man auch als SKB nichts mehr tun. Aber oft gibt es sensible Momente, in denen wir noch entscheidend eingreifen könnten. In diesen Fällen hängt viel von der Kommunikation ab. Wenn die nicht funktioniert, wird es problematisch.

ballesterer: Wie beim Wiener Derby im März 2007 im Horr-Stadion, als die Spezialeinheit WEGA in den Sektor der Rapid-Fans eingedrungen ist?
Christian Doneis: Gerade in diesem Fall hätte man meiner Meinung nach anders reagieren können. Die Schwierigkeit besteht darin, die Lage binnen weniger Momente richtig einzuschätzen. Aber aus Fehlern kann man ja lernen.

ballesterer: Wie viel Gewicht hat die Einschätzung des SKB für die endgültige Entscheidung der Einsatzleiter?
Christian Doneis: Hier mangelt es auch intern noch an Transparenz. Viele Kollegen sehen uns immer noch auf der Seite der Fans. In der Realität sind wir genau dazwischen und müssen versuchen, den Spagat zwischen den Fananliegen und denen der Kollegen zu bewältigen. Das ist nicht immer leicht. Vor den Einsatzleitern versuchen wir daher, die Rolle des SKB klarer zu definieren.

ballesterer: Worüber redet man mit Fans auf einer Auswärtsfahrt?
Christian Doneis: Natürlich steht hier das Sportliche an erster Stelle. Aber dadurch, dass einige Kollegen das schon sehr lange machen, sind die Gespräche oft auch sehr persönlicher Natur. Das Fantum ist für manche Anhänger der allwöchentliche Familienersatz. Bei Auswärtsfahrten zeigt sich, wie weit der Aufgabenbereich des Szenekundigen Beamten über die einfache Amtshandlung hinausgeht. Unsere primäre Aufgabe ist nicht, Problemfans anzuzeigen oder festzunehmen, sondern darauf zu achten, dass sie nicht straffällig werden. Wenn etwas passiert, können wir das bei den nächsten Spielen mit den Fans aufarbeiten.

ballesterer: Wie schätzen Sie Ihr Image beim angesprochenen Problemklientel ein?
Christian Doneis: Eigentlich positiv, denn auch wenn es Amtshandlungen gibt, merken die Leute, dass wir korrekt mit ihnen umgehen. Bei den Ultras gestaltet es sich ein bisschen schwieriger, da sie laut ihrer Diktion nichts mit der Polizei zu tun haben wollen. Aber auch hier bestehen Kontakte. Mit den Alt-Hooligans gibt es keine Kommunikationsprobleme. Da regiert sogar oft der Schmäh, und sie meinen, dass sie früher froh gewesen wären, wenn es Szenekundige Beamte gegeben hätte, die sie vor Straftaten bewahrt hätten.

ballesterer: Wie sehen Sie den Prozess des Vertrauensaufbaus? Ist es schwierig, als neuer SKB eine Verbindung zu den Fans zu finden?
Christian Doneis: Natürlich wird man am Anfang einmal gründlich abgecheckt. Mein großer Vorteil war, dass ich zuvor zehn Jahre am Karlsplatz meinen Dienst versehen habe. Das hat mir bei den Fans großen Respekt eingebracht. In meinen acht Jahren im Block West hat mich noch nie ein Fan attackiert. Das Wichtigste ist der korrekte Umgang miteinander und eine gewisse Distanz. Wenn die Fans merken, dass man krampfhaft versucht, sich mit ihnen zu verbrüdern, ist man schnell unten durch.

ballesterer: Also bewältigen Sie den Spagat zwischen Vertrauen und Strafen?
Christian Doneis: Es ist nicht immer leicht, aber die Fans kennen die Grenzen. Prinzipiell müssen wir jedes Delikt zur Anzeige bringen, aber unser Fokus liegt auf der Verhinderung von strafrechtlichen Beständen wie Gewalt, Verwaltungsdelikte sind eher zweitrangig. Wenn jemand neben mir einen Bengalen zündet, kann ich nicht wegschauen. Ich werde mich aber davor hüten, in eine geschlossene Gruppe einzudringen und einen zündelnden Fan herauszupicken. Erstens geht es da um meine eigene Sicherheit, und zweitens haben wir dafür in fast allen Stadien die Videoüberwachung. Wenn die Auswertung des Materials nichts ergibt, haben wir eben Pech gehabt.

ballesterer: Was denken Sie sich, wenn Sie im Auswärtssektor stehen und der gesamte Block »A.C.A.B.« singt?
Christian Doneis: Das ist mir komplett egal. Wenn man zehn Jahre am Karlsplatz gearbeitet hat, ist »Scheiß Kiberer « noch das Netteste, was man zu hören bekommt. Als Polizist musst du da drüberstehen.

ballesterer: Eine aktuelle Studie der Universität Wien untermauert das schlechte Standing der Polizei unter Fußballfans. Die SKBs schneiden positiver ab. Wie erklären Sie sich diese Ergebnisse?
Christian Doneis: Ich denke nicht, dass das Image der Polizei generell schlecht ist. Für nicht gewaltbereite Fans ist es aber oft unverständlich, warum so viel Polizei vor Ort ist. Hier müssen wir vermitteln, warum wir so auftreten. Es stellt sich immer die Frage, ob man auf offensive Polizeipräsenz setzt oder sich zur Deeskalation eher im Hintergrund hält. Die Handhabung ist situationsbedingt. Ein gutes Beispiel dafür sind die beiden Derbys im Horr-Stadion vergangenen Herbst. Beim ersten Corteo von Rapid war die Polizei stark präsent, und sobald die Fans vorbeigezogen sind, wurden die Beamten beschossen. Beim zweiten Derby hat sich die Exekutive im Hintergrund gehalten und ist in den Seitengassen mitgefahren. Direkt bei den Fans waren nur 15 SKBs. Dadurch, dass die Fans kein offensichtliches Gegenüber hatten, lief alles ohne Zwischenfälle ab. Vordergründig erscheint also die zweite Variante als die bessere. Was aber wäre passiert, wenn plötzlich ein paar Austrianer auftauchen, die die Polizei übersehen hat? Die Entscheidung, welche Variante man wählt, ist schwierig. Die Vergangenheit hat aber gezeigt, dass zu viel Polizei Aggressionen erzeugen kann. (Das Interview führten Andreas Hagenauer & Reinhard Krennhuber, Fotos: Daniel Shaked)