Willy DeVille – hier 2001 in der Szene Wien – ist tot.

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New York - Der Mann wirkte wie ein wild zusammenmontierter Prototyp aus dem Klischeehandbuch für Tunichtgute: fettes, langes Haar, eine millimeterdünne, buchstäblich haarscharf rasierte Zuhälterrotzbremse. Dazu eine Garderobe wie aus der Operettenbühne Mörbisch entwendet: Lederstiefel, geschmacksfreie Halstücher und Hemden mit Rüschenärmeln.

Doch wenn dieser Exzentriker namens Willy DeVille eine seiner lebensschweren Balladen intonierte und seine raue Stimme süßen Schmelz mit ewigem Schmalz verband, brachte er noch die übelsten Hinterhofschurken dazu, ihre Messer kurz wegzustecken und eine Träne zu zerdrücken.

Damit ist nun Schluss. Für immer. Willy DeVille ist im Alter von 58 Jahren in New York an Bauchspeicheldrüsenkrebs gestorben. Begonnen hatte die Karriere des am 25. August 1950 als William Borsay im US-Bundesstaat Connecticut geborenen Sängers und Gitarristen mit seiner Band Mink DeVille. Gegründet 1974 in San Francisco und Mitte der 1980er abserviert, um unter eigenem Namen weiterzumachen, geriet diese in New York in die Ära des Punk. Sie wurde - ohne ästhetisch Punk zu entsprechen - Fixstern der Szene, ja sogar Hausband des CBGBs, einer der Keimzellen dieser musikalischen Bewegung.

Damals trug DeVille die Haare noch wie ein Elvis- Wiedergänger krass nach oben getürmt. Und statt skelettiertem Punk stand eine Mischung aus grobem Blues und leicht angeheitert wirkender Südstaaten-Musik auf dem Programm. Eine Mischung, die er je nach Laune explodieren ließ oder mit erstaunlicher Zärtlichkeit liebkoste.

Probleme mit Managern, Labels und Drogen beendeten nach sechs Alben das Dasein von Mink DeVille, als Willy DeVille sollte er aber eindrücklich nachlegen. Mit Gleichgesinnten wie David Hidalgo von den Los Lobos produzierte der ab Mitte der 1980er-Jahre in New Orleans und Mississippi lebende Sänger Alben wie "Backstreets Of Desire" (1992), auf dem sich mit seiner Mariachi-Version des Eifersuchtsdramas "Hey, Joe!" ein letzter großer Hit DeVilles befand.

Der musikalische Schmelztiegel von New Orleans war für DeVille ewiger Inspirationsquell, dessen Vielfalt prägte seine Liveauftritte. Von einem weiteren Bruder im Geiste, dem legendären, aus Memphis stammenden Musiker und Produzenten James Luther Dickinson, ließ DeVille sein letztes Meisterwerk produzieren: "Horse Of A Different Color" (1999). Es vereinte in überzeugender Dichte alle Talente dieses obsessiven Ausnahmekünstlers: brutalen Chain-Gang-Blues, ergriffene Grenzland-Seufzer, kitschige L'amour-Hatscher und dreckige Rockmusik.

Nach dem Tod seiner zweiten Frau ging er mit seiner dritten zurück nach New York. Dort wurde bei ihm im Frühjahr Hepatitis C diagnostiziert, später Bauchspeicheldrüsenkrebs, der diesen genialischen wilden Hund nun bezwang.  (Karl Fluch / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 8./9.8.2009)