Sozialpolitik in Salzburg, 21. Jahrhundert: Es bedarf einer einzelnen Gemeinderätin der Bürgerliste, damit jene Obdachlosen, die in den Wehrtürmen am Kapuzinerberg ihr Elendsquartier aufgeschlagen haben, nicht einfach so vertrieben werden.

Natürlich hat die Stadtregierung gute Argumente, um die Türmchen zu sperren: Im Unglücksfall würde die Stadt haften. Und besonders exponierte Türme auf dem Berg gefährden die darunter wohnenden Anrainer: Es könnte einem der „Bergmenschen" ja etwas runterfallen. Über andere Fragen denkt man nicht so intensiv nach: Wo sollen die Obdachlosen hin? Viele würden sich in einer strukturierten Wohnsituation nicht zurechtfinden. Sollen sie also unter die Staatsbrücke, mitten ins Zentrum? Das dann wohl lieber nicht. Sichtbares Elend geht in der Festspielstadt gar nicht.

Die Kernfrage freilich lautet: Warum gibt es in Salzburg keine betreute Einrichtung, in der Obdachlose ohne allzu hohe Barrieren Unterschlupf finden können? Eine Notschlafstelle als Schutz vor dem Erfrierungstod, die nur vom Wachdienst beaufsichtigt wird, ist zu wenig. Und in anderen Einrichtungen sind die „Bergmenschen" oft nicht erwünscht: weil zu stark alkoholisiert oder weil sie ihren einzigen Gefährten, einen Hund, dabeihaben.
Die Debatte um das Zusperren der Elendsbehausungen ist eine Stellvertreterdiskussion - eine ganz beschämende noch dazu. Viele Salzburger spüren das und unterschreiben zu Tausenden für den Verbleib der „Bergmenschen". (Thomas Neuhold, DER STANDARD Printausgabe 15.10.2009)